Ratsversammlung Kiels erteilt sich selbst einen Freibrief für Korruption

Ratsversammlung
Autor:in

Thilo Pfennig

Veröffentlichungsdatum

8. Oktober 2010

Vergangener Donnerstag, der 7. Oktober markiert einen schwarzen Tag in der Kieler Stadtgeschichte. Einstimmig und ohne Gegenstimmen stimmten alle Ratsleute einer pauschalen Genehmigung für ihre Einladungen zur Großevents zu. Basis dazu war der Antrag Drucksache 0776/2010, den ich hier auszugsweise zitieren möchte:

Unter Bezugnahme auf § 331 Abs. 3 StGB genehmigt die Ratsversammlung für die Dauer der bis 2013 laufenden Wahlperiode allen Ratsmitgliedern die Teilnahme an Regattabegleitfahrten und repräsentativen Terminen zur Kieler Woche. Die gleiche Genehmigung erhalten die nicht der Ratsversammlung angehörenden Personen, die auf Beschluss der Ratsversammlung beauftragt sind, die Landeshauptstadt Kiel in juristischen Personen und sonstigen Vereinigungen zu vertreten. Die Genehmigung erstreckt sich zugleich auf die Teilnahme an vergleichbaren gesellschaftlich relevanten repräsentativen Großveranstaltungen auch außerhalb der Kieler Woche (z.B. Jahres- und Jubiläums- Abschiedsempfänge, Kommandoübergaben, Parlamentarische Abende, Konzertveranstaltungen wie das Schleswig-Holstein Musik-Festival, Baltic Horse Show).

Das sind schon sehr weitgehende Rechte. Im Mai 2010 hatte der damalige Generalstaatsanwalt von Schleswig-Holstein Erhard Rex sämtliche Ermittlungen gestoppt, um das Ranking von Kiel nicht zu gefährden. Seine Meinung wird auch im Antrag zitiert:

Veranstaltungen dieser Art haben politische, gesellschaftliche, diplomatische, touristische und wirtschaftliche Bedeutung für das Land Schleswig-Holstein und spielen im Ranking der Bundesländer, bei Arbeitsplatzsicherung und Arbeitsplatzbeschaffung eine nicht unerhebliche Rolle. Damit verbundene Einladungen an eine Vielzahl von Persönlichkeiten (darunter Amtsträgerinnen/Amtsträger) sind ein wesentliches Element dieser Veranstaltungen. Großveranstaltungen dieser Art müssen stattfinden können. Anderseits darf dabei kein strafbarer Versuch unternommen werden, durch Einladungen Einfluss auf einzelne Amtsträger zu nehmen, um diese in ihrer Dienstausübung zu beeinflussen (z.B. zu Aufträgen, Genehmigungen etc. zu veranlassen). Dieses wäre ein strafbare Vorteilsgewährung, deren Anschein vermieden werden muss. Bei der Behandlung der Einladungen müssen daher die rechtlichen Grenzen eingehalten und gleichzeitig der Grundsatz der Transparenz und der Offenlegung beachtet werden.Der Anschein der Käuflichkeit darf auf keinen Fall hervorgerufen werden.

Da Ratsleute keinen Dienstherren haben musste man eine Lösung finden die Bestechungen zu legalisieren. Die Lösung ist, dass sich die Ratsleute selbst die Vorteilsnahme genehmigen. So einfach war das allerdings nicht. Denn da rund 40 von ihnen in Aufsichträten sitzen gelten diese als befangen in dem Fall zu entscheiden. Man verständigte sich daher auf ein Abstimmverfahren, dass angeblich das Abstimmen befangener Ratsmitglieder ausschliessen sollte.(Update: 7. Oktober - Link zum Video, ab ca. 2. Minute) verlinken wie es ablief:

Hier stutzt man, sobald man ein wenig denken kann, denn die Frage ist, wie bei dem Verfahren gesichert ist, dass keine befangenen Ratsmitglieder mit abstimmen. Denn die befangenen Gruppen sind ja alle bei 4/5 aller Abstimmungen anwesend.! D.h. es stimmen immer überwiegend befangene Ratsmitglieder ab!

Der unkritische Betrachter mag nun angesichts der Tatsache, dass in folge der Abstimmung KEINE Gegenstimmer erfolgte zu schließen, dass es ja auch keinen Widerspruch gab. Er verkennt dabei, dass es eine Fraktionsdisziplin gibt, die Abstimmung nicht geheim war und auch sonst der Gruppendruck so hoch war, dass sich offenbar kein einziges Ratsmitglied getraut hat das Verfahren in Zweifel zu ziehen.

Damit ist aber auch klar, dass keine der vertretenen Fraktionen und anwesenden Ratsmitglieder das Vertrauen der Kielerinnen verdient. Diese Abstimmung ist wahrscheinlich einer der größten Skandale die Kiel je erlebt hat, inklusive der Einbindung eines inzwischen pensionierten Generalstaatsanwalts. Ich bin kein Jurist, aber ich finde es dubios, wenn ein Generalstaatsanwalt sich derart engagiert und sämtliche Ermittlungen stoppt.

Viele Politikerinnen verstehen dabei das Problem gar nicht: Es geht gar nicht darum einen Generalverdacht aufzubauen. Eigentlich ging es nicht darum. Es ging eigentlich darum, dass es klarer Regeln bedarf, um zu Regeln was erlaubt ist und was nicht. Dieser Regulierung verweigert sich die Landeshauptstadt bisher. Stattdessen geben sich die befangenen Ratsleute selber eine Generalamnestie für Vorteilsnahme in beliebiger Höhe.

Das heisst mit eben DIESER Abstimmung erzeugen sie erst den Eindruck, dass sie sich mit dem Lex Rex eine politische Landschaft zimmern, die sämtliche Möglichkeiten der Bestechung legitimiert. Andere Städte haben Ehrenerklärungen entworfen, an die sich die Ratsleute und Bürgermeister binden. Sie legen en detail fest bis zu welcher Höhe Geschenke und Einladungen OK sind. Die Ratsversammlung Kiel lässt das bisher bewusst offen. Und mit der letzten Beschlussfassung gibt es nun auch den Beleg für die unlauteren Absichten.

Das Abstimmungsverfahren war eine Farce, da wie schon oben beschrieben immer eine Mehrheit der Ratsversammlung befangen war. Wie will man bei mehrheitlich befangenen Ratsmitgliedern aber eine Befangenheit ausschliessen?

Ich rufe alle politischen Blogger auf sich den Fall kritisch von allen Seiten zu betrachten. Wenn mir jemand zeigen kann wieso diese Abstimmung insgesamt unbefangen war, wäre ich sehr dankbar!

Bis dahin sehe ich eine Auflösung der Ratsversammlung wegen Befangenheit und Bestechlichkeit als einzige Lösung des Dilemmas. Ich hoffe auch darauf, dass der neue Generalstaatsanwalt eventuell das Thema noch einmal neu aufgreift. Aus meiner Sicht ist das alles korrupt bis zum Umfallen!

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