Werden Bürgerentscheide abgeschafft?

Ratsversammlung
Bauprojekte
Autor:in

Thilo Pfennig

Veröffentlichungsdatum

26. März 2014

Schlüsselwörter

Bürgerentscheid, Möbel Kraft

In der Kieler Nachrichten vom Samstag werden verschiedene Stimmen zum Ausgang des Bürgerentscheids zitiert:

Man sieht daran: Die Stadtpolitik hat sich ein wenig erschrocken über die Knappheit des Ergebnisses. Am Anfang hat sich gerade die SPD noch lustig darüber gemacht, dass die Initiative nicht einmal die erforderlichen Unterstützungsunterschriften zusammen bekommen würde.

Zu Bedenken:

Für mich ist die demokratische Entscheidung gelaufen. Ich finde es aber bedenklich, wenn Politiker*innen jetzt Bürgerentscheide als solches in Zweifel ziehen, nur weil das neue Spielzeug beinahe zu ernsthaften Ergebnissen geführt hätte. Welches Demokratieverständnis herrscht denn da überhaupt?

Wir können das Ergebnis auf jeden Fall so interpretieren, dass die Ratsversammlung in der Möbel Kraft Frage nicht die Haltung der Bürger*innen widerspiegelt. Repräsentation und deren Legitimation kann auf Dauer nur dann funktionieren, wenn diese denn auch etwa synchron geht.

Hätte, könnte, sollte, man kann über das Ergebnis sicher noch länger diskutieren oder damit hadern, aber das Ergebnis steht.

Generell würde ich zum Ablauf sagen, dass es keine frühzeitige Beteiligung der Bürger*innen gab. Es macht sicher Sinn Bürgerentscheide nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nach einem Ratsbeschluss zuzulassen. Aber die Investoren müssen mit dem Einspruch der Bürger*innen rechnen. Bürgerentscheide sind als Korrektiv dafür gedacht, dass unsere Repräsentat*innen nicht immer unsere Meinungen repräsentieren. Sie geben uns die Möglichkeit mitzuentscheiden. Es ist nicht das Problem der Bürger*innen, wenn die Politik Entscheidungen am Wahlvolk vorbei trifft und es dann hinterher teurer wird. Dieses Risiko ist man in Kiel dieses mal ganz bewusst gegangen. Nach dem Motto: “Wir lassens mal drauf ankommen, wir walzen den Widerstand platt, die wehren sich bestimmt nicht”. Und als sich doch viele gewehrt haben, wurde gejammert: “Wieso das denn? Was soll denn das? Wir haben und das doch so schön ausgedacht!” - und nun kommt: “Da müssen wir ja was ändern. Das war ja nur als Spielzeug gedacht und nicht für ECHTE Mitbestimmung”. Politiker*innen sind durch die Bank weg immer dafür “Bürger*innen mitzunehmen” oder auch für “mehr Mitbestimmung”.

Das sieht dann so aus, wie es Sigrid Schröter zur “Elefantenrunde” im Offenen Kanal (unwidersprochen!) vorschlug: Die Bürger hätten ja lange im Vorfeld in den Ausschüssen mitreden können.

Dazu fällt Kennern von “Per Anhalter durch die Galaxis” die stichhaltige Argumentation ein, die Pläne hätten 9 Monate lang im Planungsbüro ausgelegen: Per Anhalter durch die Galaxis - Hausabriss

Zur genaueren Erläuterung von Ausschüssen: Bürger*innen haben da mit seltenen Ausnahmen gar kein Rederecht. Sie dürfen am öffentlichen Teil teilnehmen und dürfen dann wieder gehen. Und wie der ehemalige Ratsherr Sander in der Sendung erläuterte, erfuhr er als umweltpolitischer Sprecher der GRÜNEN damals aus der Zeitung, dass der Standort Prüner Schlag bereits feststand. Auch die von Frau Schröter beschrieben langen Diskussionen um den Standort hat es niemals gegeben. Man muss es dann einfach mal so klar sagen: Frau Schröter lügt wissentlich. Der Geschäftsführer von Möbel Kraft Gunnar George war übrigens im Sitzungsraum anwesend während der Abstimmung der Ratsversammlung zur Ansiedlung. Auch das sehr ungewöhnlich, gibt es doch normaler weise für Gäste die Zuschauertribünen. Abgesehen von Einwohner*innenfragen usw.. Den Ratsleuten war dieser Fakt zum Großteil damals nicht bekannt gemacht worden. Wer da auf wessen Schoß saß? Wohl eher die Stadt Kiel auf dem Schoß von Möbel Kraft, auch wenn Möbel Kraft nur zu Gast war. Die klamme Stadt hat auf jeden Fall 30.000 € mal eben so locker gemacht, um für die Ansiedlung bei den Bürger*innen zu werben. Wie sie sich das leisten kann, kann ich nicht verstehen. Wenn man da mitbekommt, wie sonst die Fraktionen um jeden Euro streiten. Da hat es nicht mal eines Beschlusses bedurft. So viel unbürokratisches Verwaltungshandeln wünscht man sich auch mal bei drängenden Problemen der Stadt.

Was können progressive Gruppen aus der Möbel Kraft-Geschichte lernen? Zum einen denke ich, dass ein gewisser Zusammenhalt hilft. Ich bin mir aber z.B. nicht sicher, ob jede Aktion oder auch die Bewerbung von Herrn Hackethal mehr genutzt oder eher geschadet hat. Für mache Bürger*innen erschien der Widerstand wohl Sache von einer handvoll Spinnern. Ich habe damals ja auch gegen diesen Eindruck geschrieben, denn ich hatte schon damals eher das Gefühl die halbe Stadt steht auf. Ein Bürgerentscheid ist eben auch eher eine Massenaktion. David gegen Goliath passt eher  für das, was jetzt kommt: Ein Kern von Aktivist*innen will dann zumindest noch Sconto verhindern oder den Umweltschaden verringern.

Effektiver Widerstand ist m.E. nur möglich, wenn man die eigene Rolle in Frage stellt. Wenn man bereit ist sich zu öffnen, wenn Teile der Bevölkerung sich einklinken können. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, das mehr Leute mit JA gestimmt hätten, wenn sie gewusst hätten, wie viele Kieler*innen ebenfalls mit JA stimmen werden. Viele passen sich dem Mainstream an - und warum sollte man einer kleinen Gruppe die Stimme geben, wenn die Mehrheit klar auf Seite des Möbelgiganten ist. War aber ja gar nicht so.

Auch die Sichtweise von Herrn Hencke, dass mehr Geld für Werbung auch keinen Unterschied gemacht hätten für die Kampagne kann ich nicht teilen. Und sicher kann da weder die Stadt Kiel noch Möbel Kraft zustimmen. Die haben viel Geld für Werbung auf Plakaten (und MK auch im Radio!) ausgegeben, um die Abstimmung zu beeinflussen. Ich würde da als Gegenposition vertreten, dass ein paar Prozente mehr locker drin gewesen wären. Und wenn es nur bedeutet hätte, die schweigende Mehrheit etwas mehr zu mobilisieren.

Aber wie ich schon schrieb ist es müssig mit dem Wenn und Aber. An dem Beschluss ist jetzt nichts mehr zu deuteln. Es wäre aber sinnvoll organisatorisch wachsamer zu sein, um früher einzugreifen. Was die Politik angeht so kennt die nur zwei Zustände von Projekten:

  1. Zu früh in der Planung, um etwas zu kritisieren und Bürger*innen zu beteiligen.
  2. Zu spät für die Mitbestimmung von Bürger*innen, weil ja eh alles bereits entschieden ist.

Insofern kann ich uns nur ermutigen sich JEDERZEIT einzubringen oder auch querzustellen. Solange es kein echtes Anliegen ist, Bürger*innen zu beteiligen, gibt es keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt, es geht nur darum, ob man überhaupt irgend was bewegen kann.

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