COVID19 in Kiel und Schleswig-Holstein CoronaVirusUpdate
Covid19, Corona
Wie die Kieler Nachrichten am 2. März 2020 berichteten, gab es einen Verdachtsfall eine China-Rückkehrers mit zwei Kindern im Kieler Umland. Die Geschichte ist eine Odyssee. Kleine Zusammenfassung:
- Er fragte beim Hamburger Airport und dem Robert-Koch-Institut (RKI) aus Eigeninitiative, ob er sich testen lassen soll. Antwort: „Nein, das ist nicht nötig.“
- In Hamburg wendet er sich an die Bundespolizei, ob sie sich irgendwo melden sollen. „Nein, hieß es auch dort. Also habe ich ein Auto gemietet und bin mit den Kindern Richtung Kiel gefahren.“
- Zuhause angekommen erfährt er, dass die ehemalige Schule beziehungsweise das Schulamt erklärt hat, niemand solle sich uns nähern, ohne dass jemand sich vorher bei ihm gemeldet hat, obwohl er seine Nummer mitgeteilt hatte.
- zwischendurch war er wegen Symptomen in der Eckernförder Klinik und wurde negativ getestet.
- Das Gesundheitsamt ordnete dann aber eine 14 tägige häusliche Quarantäne an.
- Nach 14 Tagen sind wieder keine Erreger nachweisbar.
Das sieht alles nicht danach aus, als sei man in Schleswig-Holstein gut vorbereitet. Einige offenen Fragen habe ich zu unserem Bundesland:
- Mit dem Seehafen Kiel und insbesondere als wichtiger Kreuzfahrthafen mit bis fast 900.000(Quelle) Passagieren pro Jahr, ist Kiel nicht ab vom Schuss, sondern auch mit der Kieler Woche Ziel von Millionen Passagieren und Touristen. Wir haben dadurch bereits jeden Tag ein Problem. Bei der Vielzahl an Gästen kann man gar nicht alles kontrollieren. Dazu kommt noch das Personal der Schiffe aus allen Ländern der Welt.
- Ist eine Absage der Kieler Woche 2020 geplant? Wenn ja, sollte das wohl schon im März passieren.
- Welche Maßnahmen werden getroffen, um sicherzustellen, dass die Vielzahl an Menschen, die über den Hafen nach Kiel kommen nicht den Erreger nach Kiel bringen? Gibt es Begrenzungen dazu welche Schiffe einlaufen dürfen? Gibt es Begrenzungen für Landgänge? Hat man ausreichen Kapazität um zur Not hunderte Verdachtsfälle aufzunehmen? Kreuzfahrtschiffe wie die AIDA haben teilweise 3000-5000 Passagiere. Die Diamond Princess war ja kein gutes Beispiel.
- Bisher scheint es keine direkte Ansprechpartner bei der Stadt Kiel zu geben, nur die Nummer der Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein 116 117 (bzw. Der Patientenservice). Gibt es keine E-Mailadresse für Low-Level-Anfragen? Es gibt ja ganz praktische Fragen, die man nur in Kiel beantworten kann? Welche Behörde ist für was zuständig? Der o.g. Fall macht ja deutlich, wie hier Behörden mit einem ersten Verdachtsfall aus der Kiel-Region umgegangen sind. Und ich denke es gibt genug Beispiele die zeigen, dass der Hausarzt überfordert ist.
- Ist eine unabhängige und improvisierte Ambulanz in Planung, in der sich Verdachtsfälle testen lassen können? Offenbar sind ja weder die Praxen noch die Krankenhäuser dafür geeignet, überfordert und überlastet?
In Hessen wurde ein Verdachtsfall auch (nicht nur) von der 116117 abgewimmelt. Hier seine Story:
https://twitter.com/michaelkegler/status/1234402853810249732?s=20
Heute bei hart aber fair hat eine Oberärztin gesagt, das in ihrer Klinik absolut nur die Patienten auf #COVID-19 getestet werden, die schwerwiegende Symptome haben. Wer einfach nur Fieber hat, oder auch wer vielleicht Kontakt zu Infizierten hat, wird offenbar nach Hause geschickt ohne Kontrolle whatsoever. Dabei ist bisher schon belegt, dass Infizierte über Wochen asymptomatisch (symptomfrei) sein können.Und sogar kein Nachweis der Erreger möglich ist: Siehe Ärzeblatt-Artikel vom 26. Februar:
Die 20-jährige Frau (Patientin 1) war am 10. Januar von Wuhan nach Anyang gereist. Sie hatte dort bis zum 13. Januar Kontakt mit 2 Personen, die am 23. und 26. Januar an Covid-19 erkrankten. Am 13. Januar besuchte sie mit 3 weiteren Verwandten einen Patienten im Krankenhaus, wo es zu diesem Zeitpunkt noch keine bekannten Covid-19-Fälle gab. Eine der 3 Verwandten erkrankte bereits am 17. Januar, die anderen beiden am 25. Januar. Zu diesem Zeitpunkt war die Patientin 1, die aller Wahrscheinlichkeit nach die anderen 5 Patienten angesteckt hat, ohne Symptome. Ein erster PCR-Test am 26. Januar fiel negativ aus. Erst ein 2. Test am 28. Januar war positiv. Die junge Frau fühlte sich auch später (bis zum Stichtag 11. Februar) völlig gesund. Die Frau könnte das Virus über 18 Tage (von 10. bis 28. Januar) ausgeschieden haben, ohne dass dies medizinisch erkennbar war.
Dies macht sehr deutlich, dass Symptome kein gutes Kriterium sind. Wünschenswert wäre daher auf jeden Fall, dass viel mehr Menschen getestet würden, weil sie vielleicht Überträger*innen sind ohne Symptome zu haben. In gewisser Weise ist das noch hinterhältiger, als wenn die Leute durch ihre Symptome auffallen. Und exakt das ist für mich auch der Grund davon auszugehen, dass sich das Virus viel weiter verbreitet hat, als bisher wahrgenommen. Der Fall oben mit dem Mann, der keine Testung bekommt sind weitere Gründe, warum die Fallzahlen niedriger sind. Sie werden steigen und zwar exponentiell und wir haben jetzt bereits den Punkt verpasst, das Virus wirksam einzudämmen. Insbesondere wegen der schlechten Ausstattung des Gesundheitssystem, bei dem man im Grunde froh ist, wenn möglichst wenig Leute ins Krankenhaus kommen.
Einige werden jetzt sagen, dass das Virus ja gar nicht so gefährlich ist. Das mag sein, aber bei der Spanischen Grippe war dies auch in der ersten Welle nicht so schlimm. Es kann sein, dass wir alle viel Glück haben, wie auch bei SARS (774 Tote) oder MERS (600 Tote). Aber damals sind auch viele Leute gestorben. Aber wir haben jetzt auch schon weltweit über 3119 Tote (Stand 2. März) (Quelle Worldometer). Die Debatte in Deutschland wird sich sicher auch verschärfen, wenn es erste Tote in diesem Land gibt. Momentan finde ich hier eher die Hamsterkäufe bei Lebensmitteln und Hygieneartikel übertrieben. Die Berichterstattung spielt alles doch eher herunter. Und auch die Politik wiegelt ab.
Kiel ist als Hafen durchaus mehr exponiert als manche andere Stadt in Deutschland. Sie sollte auch danach handeln!
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