Verkehrspolitik in der Kommunalwahl in Kiel 2023

Mobilitätswende
Wahlen
Autor:in

Thilo Pfennig

Veröffentlichungsdatum

7. April 2023

#VerkehrsPolitik

Einleitung

Heute will ich mir endlich die Zeit nehmen, etwas auf die Kommunalwahl 2023 weiter einzugehen, obwohl sie mir dieses mal nicht sehr spannend erscheinen. Denn die Fronten sind klar. Es gibt einen breiten Konsens über die Stadtpolitik und in der Praxis dann nur wenige Unterschiede zwischen den Parteien. Welchen Einfluss hat also unsere Stimme. Ich werde mich auf die Verkehrspolitik beschränken, weil ich das am besten beurteilen kann und mich auch besonders interessiert.

Ich hänge mich zunächst am Programm der GRÜNEN auf, weil die ja die Partei der Mobilitäts- und Klimawende sein wollen. Das heißt anhand ihres Programmes kritisiere ich auch die aktuelle Kommunalpolitik

CDU, Grüne, SPD, FDP, SSW, AfD, Die Linke, Die Basis und Die Partei. Die Partei Volt tritt der Mitteilung zufolge nur in vier Wahlkreisen an, die Humanisten in zwei und die Tierschutzpartei in einem Wahlkreis.

Die GRÜNEN

Schon zum Anfang muss man sagen: 126 Seiten? Was soll das? Wer soll das lesen? Es interessiert ja nur wenig, was sich eine Partei erträumt, wenn sie es nicht umsetzt oder umsetzen kann. Man wählt keine Wahlprogramme, sondern Realpolitik. Und das ist auch für mich die Messlatte an die GRÜNEN.

Dazu kommt, dass vieles von der Bundes- und Landesebene abhängt. In der Zeit der GRÜNEN fällt u.a. auch die Abholzung des Prüner Schlages durch Abholzung zwecks Ansiedlung von zwei Möbelmärkten, die Autobahnzufahrt für CITTI, der neue “ZOB” (defakto 99% Parkhaus, aber ohne warme Wartebereiche für Reisende) und und und. Ebenso haben die GRÜNEN mit zu verantworten, dass es keine wirksamen Maßnahmen in Kiel zur Reduzierung von Stickoxiden und Feinstaub kam. Nur durch eine Vielzahl an Baustellen, Corona und viel Glück schaffte man die Einhaltung der noch zu hohen Grenzwerte am Theodor-Heuss Ring. Aber man hält nach wie vor die neuen Grenzwerte der WHO nicht ein. Dafür stehen nun aber Luftabsauger auf dem neuen Radweg. Die Baustellen in Kiel sind für Rad und Fuß eine einzige Katastrophe ( Fünf Minus wäre wohl angebracht). Barrierefreiheit ist ein Fremdwort. Kiel ist und bleibt eine autogerechte Stadt. Lediglich bei der Elektromobilität im ÖPNV ist man fortschrittlich gewesen. Aber die Stadtbahn hat man zB über Jahrzehnte auch von der GRÜNEN mit verzögert und nur habherzig angeschoben. Neue Fußgänger*innen-Überwege werden immer noch mit Quängelampeln ausgestattet, viele Gefahrstellen neu geschaffen.

Weiter im Programm:

  • “Quartiersparkhäuser” was für ein ausgemachter Blödsinn. Wo wollt ihr die schaffen? Wohnungen abreißen oder statt Wohnraum Parkraum schaffen? Falls es noch nicht aufgefallen, haben wir einen Mangel an Wohnungen und das ist weit wichtiger als Platz für das Zweit- und Drittauto. Und Park and Ride ist in den 80ern bereits gescheitert. Die Idee davon wäre klassischerweise auf dem Exer oder Wilhelmplatz zu parken und dann mit dem ÖPNV weiter. Aber dann sind die Leute schon in der Stadt.
  • “Ticketpreise senken” - Das kann die Stadt gar nicht machen. Wir erleben ja gerade das Gegenteil: Wegen dem “Deutschlandticket” wird der Nahverkehr bundesweit teurer, dazu kommt die Inflation. Jetzt noch der Ausbau der Stadtbahn. Also mehr ÖPNV mit besserem Angebot aber gleichzeitig günstiger machen? Wie wollt ihr das finanzieren?
  • “Die NAH.SH ist derzeit dabei, eine multimodale App zu erstellen” - Realität: Laut NAH.SH kann man mit der nah.sh App das “Deutschlandticket” nicht erwerben, sondern AKN als Anbieter der Tickets BEENDET am 1.5. die Möglichkeit Monatsabos über die App zu kaufen. Also mit Einführung des Deutschlandticket. Zudem ist das, was NAH.SH macht gar nicht Politikergebnis der Kieler GRÜNEN.
  • “Wir unterstützen auch weiterhin Pilotprojekte zum autonomen Fahren von Fähren” Ja, träumt weiter.
  • ” Wenn möglich sollen neue Radwege baulich vom Kfz-Verkehr getrennt sein, um ihre Sicherheit zu erhöhen - notfalls zulasten des Kfz-Verkehrs.” Nein, nein, nein. Genau umgekehrt wird ein Schuh draus. Ohne Einschränkung des Kfz-Verkehrs bringen Velorouten fast gar nichts. Das sind die wesentlichen Erkenntnisse von Fahrradstädten wie Kopenhagen oder Amsterdam. Wenn ich diese Sprache schon lese sehe ich sofort, dass da das Wesentliche der Verkehrswende nicht erkannt wurde.
  • Dann lassen sie sich auch noch über das “Fahren auf der falschen Seite” aus. Aus meiner Sicht eine Geisterdiskussion ohne Realbezug. In Kiel muss man ständig die Seite wechseln und wird so oft gezwungen auf der falschen Seite zu fahren. Es ist Radfahrenden schlicht nicht zuzumuten weite Umwege zu fahren oder die jeweiligen Regelungen immer bewusst zu haben. Es wäre sicher schlauer die Praxis zu legalisieren, solange es keine annehmbare Infrastruktur gibt und immer noch Radwege bei neuen Straßen weggelassen werden. Eine Debatte zur Unzeit, die auch eher kontraproduktiv ist.
  • Außerdem wollen sie die E-Scooter weiter fördern. Kiel ist ja bekannt dafür, dass sie diese Rolle schon im Green City Plan als Mikromobilität willkommen geheißen haben. Und es gibt in Kiel keine erkennbaren Maßnahmen, um das ganze Chaos im Griff zu bekommen. Anders als zB in Städten wie Berlin. Zudem geht der Anteil dieser Rolle auch zu Lasten des Anteils des ÖPNV und des Rades. Womit es die eigene Ziele konterkariert.
  • “Wir möchten daher Shared Space-Konzepte prüfen und verstärkt” . Noch so ein gescheitertes Konzept aus den 60ern. Shared Spaces und Begegnungszonen funktionieren nicht und sind vor allem nicht barrierefrei und feindlich gegenüber Menschen mit Behinderung, Älteren, Kindern und insgesamt den Zufußgehenden. Dieses Konzept muss endlich beerdigt werden. Im Holstenfleet sieht man vor allem am Martensdamm sehr gut, warum es nicht funktioniert. Es schafft vor allem für Zufuß zu viele Unsicherheiten zu Gunsten des Autoverkehrs.
  • “Wasserstoff halten wir für überregionalen Bus- und für Schwerlastverkehr, der nicht auf die Schiene verlagert werden kann, für sinnvoll.” Wieder so ein grober Unfug. Wie kommt ihr auf solche Ideen?

Fazit

Wir wissen, dass die GRÜNEN bisher nicht gegen die Südspange/A21 gestimmt haben. Das Programm ist ein wildes Sammelsurium aber kein Konzept. Es offenbart große Ahnungslosigkeit und ist keine Werbung für diese Partei. Es enthält ganz offenbar romantische Vorstellung einer heilen Verkehrswelt.

Mobilitätswende würde zB bedeuten, dass man vor allem ein Ziel hat: Die Anzahl der Autos in Kiel drastisch zu reduzieren. In diesem Programm wird aber lediglich von “Reduzierung des Autoverkehrs” gesprochen. So als wenn der Verkehr nicht die Ursache in den vorhandenen Autos hätte! Das Gleiche gilt natürlich auch für Parkplätze: Autoverkehr und Autoparkplätze kann man nur reduzieren, wenn die Anzahl der Autos gesenkt wird. Und nicht mit neuen Parkplätzen, zB in “Quartiersgaragen”. Das haben im übrigen viele der Umweltverbände auch noch nicht begriffen. Viele denken, dass es auch langfristig möglich wäre mit der selben Anzahl von Autos aber einer anderen Verteilung keine Konflikte mehr zu haben.

ZB das Parkhaus in der Schulstraße in Gaarden enthält 163 Parkplätze laut Internet. Viele Wohnblöcke haben mehr Parkplätze ans Straßenrand. Für einen Stadtteil mit rund 20.000 Einwohner*innen ist das nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Und auch hier gilt wieder: Dringender als ein Gebäude ohne Nutzwert sind bezahlbare Wohnungen. Das ist ein Entweder/Oder nicht ein Sowohl als auch! Ein Auto braucht meist drei Stellplätze: Wohnen, Arbeiten, Einkaufen. Das heißt das jeder geschaffene Parkplatz auch weitere Parkplätze nach sich zieht. Das es so nicht weitergehen kann, hat die Politik zwar grundsätzlich in Kiel auch begriffen, aber man denkt doch, dass man große Parkflächen wie Wilhelmplatz und Exerzierplatz so erhalten möchte und lieber mehr Parkplätze schaffen möchte. Fokus liegt eher dahin die Fahrzeuge zu verschieben, als sie abzuschaffen. Aber an Letzterem kommen wir nicht darum herum. Und eine Partei, die das nicht erkannt hat und nicht umsetzen will, kann man als Mobilitäts- und Klimabewusster Mensch nicht wählen. Das sind alles Konzepte aus den 80ern. Das ist 40 Jahre her! Und es wird auch nicht dadurch besser, dass man noch Digitalisierung drunter schreibt!

Die CDU

  • CDU (89 Seiten)

Das Programm der CDU schon deutlich kürzer als das der GRÜNEN. Was präsentieren sie uns wohl zur Verkehrspolitik? Die CDU gilt ja als DER Gegenpol der GRÜNEN. Stimmt aber nicht, haben hier auch schon mal jahrelang kooperiert. Eine erneute Kooperation ist nicht ausgeschlossen je nach Wahlergebnissen.

Die CDU hat #KielAufKursBringen als Hashtag. Ich bin kein großer Fan auf Social Media eigene Hashtags zu erfinden als Parteien, weil es gerade kommunal nicht wirklich hilft. Wie schon oft von mir erwähnt klingt die generelle Einstellung zum Verkehr bei der CDU total richtig:

Damit die Menschen uns erreichen können, setzen wir uns für einen ausgewogenen Verkehrsmix ein, bei dem alle Mobilitätsformen gleichberechtigt sind.

Wobei wir schnell merken werden, dass “Gleichberechtigung” unterschiedlich gedeutet werden kann. Bei der Kieler CDU ist damit zB genau das Gegenteil gemeint: Die Zementierung der Bevorrangung des Autoverkehrs. Gemeinsam ist ihnen mit den GRÜNEN, dass auch sie Mobilitätswende als Thema Nummer Eins gewählt haben.

Das Programm enthält einige einfache Schreibfehler, Beispiel “Für die CDU in Kiel stehen der Interessenausgleich und ein gleichberech**@**gtes Miteinander” und “wollen wir neue Wege für die Mobilitätswende der ZukunS in unserer Stadt” - das wirkt etwas mit der heißen Nadel gestrickt und so, als wenn niemand den Text noch ein mal gelesen hat. Meine Blogartikel enthalten ja auch immer mal Fehler, aber die schreibe ich meist auch in kürzester Zeit herunter, meist auch ohne Korrekturlesen. Aber ich bin auch keine Partei, die alle fünf Jahre ein Kommunalwahlprogramm schreibt und um Vertrauen wirbt. Die Kritik finde ich insofern nicht pingelig, sondern berechtigt.

Weiter:

  • “begrüntes Bushäuschen” ok, das ist sweet. Das hätte die CDU vor ein paar Jahren nie geschrieben. Natürlich ist das kein wichtiger Punkt, aber ich musste schmunzeln :-)
  • mittlerweile ist auch die CDU für eine Stadtbahn. Ich finde das sehr wichtig, dass manche Themen einfach nicht mehr immer bei Null diskutiert werden und die Auseinandersetzung an anderen Themen passiert.
    • “Entlang der Strecke der Stadtbahn dürfen nach den notwendigen Baumaßnahmen nicht mehr als 10 % der PKW-Stellplätze und PKW-Parkmöglichkeiten enVallen.” - Solche Vorgaben sind natürlich unrealistisch und engen die Planung unnötig ein. Dies impliziert sogar, dass jenseits der Strecken 100% erhalten blieben sollen.
  • Die CDU will auch “protected bikelanes” Ok, dass ist neu. ich erinnere mich, als ich vor vielen Jahren anfing mich stärker zu engagieren kannte NIEMAND diesen Begriff.
  • Klares Bekenntnis zur Südspange und den Anschluss der A21 innenstadtnah.
    • darüber hinaus noch Ostring II
  • Tunnellösung für den Theodor-Heuss Ring
  • Zwischennutzung von Parkplätzen für ALLE (bei Supermärkten und Schulen)
  • “Anstak Parkplätze durch sogenannte ‚Parklets‘ zu sperren, müssen die bestehenden Aufenthaltsflächen aufgewertet, besser nutzbar gemacht und verschönert werden.” - Ok da wirds bei mir persönlich, weil ich Parklets cool finde.
  • Quartiersparkhäuser

Fazit

Es gibt wenige Punkte, die grundsätzlich nicht mir den GRÜNEN kompatibel sind, davon abgesehen sehe ich politisch eine starke Übereinstimmung. Sie sprechen eine andere Wählerschicht an. Für CDU ist eben das Auto eine heilige Kuh. “Quartiersparkplätze” sind eben eine sehr fragwürdige Lösung: Lange Genehmigungsverfahren, Millionen an Investitionen und das für Autoinfrastruktur, damit die Anzahl der Parkplätze gleich bleibt. Das wollen CDU genau so wie GRÜNE. Aber es ist keine Lösung, sondern hohe Kosten für keine Lösung bzw. wird es die Probleme eher verschärfen und Anreize für Neukäufe von Autos bieten. Also zu mehr Verkehr führen und zu mehr Feinstaub. Und weniger Platz für Wohnhäuser. Und damit Verdrängung der Menschen aus der Stadt ins Umland (was zusätzliche Mobilitätsbedarfe erzeugen wird). Ein absoluter Holzweg von diesen beiden Parteien

Die SPD

Mit nur 40 Seiten weniger als halb so lang, wie das Programm der CDU und 1/3 von dem der GRÜNEN. Es gibt sogar 5x5 Schlüsselprojekte:

  • Wir ermöglichen allen Menschen, sich so durch die Stadt zu bewegen, wie es für sie am besten ist. Wir helfen denjenigen umzusteigen, die nicht auf das Auto angewiesen sind, und schaffen so Raum für die, die das Auto brauchen.
  • Wir machen den Verkehr sicherer: Tempo 30 in der ganzen Stadt, Tempo 50 auf Hauptstraßen.
  • Wir kümmern uns darum, dass die Stadtbahn so schnell wie möglich startet. Während der Bauzeit werden alle Maßnahmen mit den Beteiligten abgestimmt.
  • Wir wollen nachts die Geschäftsparkplätze öffnen, so dass es in den Wohngebieten mehr Parkplätze gibt.
  • Wir sorgen für einen sicheren Radverkehr in Kiel. Ein zentrales Projekt ist die Veloroute Ostufer.

Darüber hinaus:

Mit dem Ausbau der A 21 sind gute Anschlüsse in das Kieler Straßennetz zu schaffen. Wenn der Nachweis der verkehrlichen Notwendigkeit einer Südspange erbracht werden sollte, dann soll diese möglichst weitgehend auf bestehender Strecke und mit den geringsten Eingriffen in Umwelt und Natur gebaut werden. Eine vierstreifige Autobahnvariante braucht es nicht. Das von uns initiierte „Verkehrskonzept Ostufer“ wird das Kieler Ostufer deutlich entlasten, somit werden wir die Planung des Ostring 2, der diese Entlastung nicht bringen kann, nicht weiterverfolgen

Fazit

Ich mag die Sprache und Einfachheit. Da steckt viel Arbeit drin, das gut zu formulieren. Aber auch hier findet man die Illusion, dass mehr Parkplätze eine Entlastung bringen könnten. Die SPD hat die Verkehrspolitik der letzten Jahrzehnte maßgeblich mitgestaltet und somit die Verkehrswende ausgebremst. Es gibt allerdings viele jüngere SPD-Mitglieder, die eine andere Vorstellung haben, als die alten weissen Männer in der SPD. Mich überzeugen die schönen Worte aber nicht. Ich erwarte Handeln. Und da war man bei der Südspange über Jahre bestenfalls unbestimmt, aber eben doch eher Anschieber auch für den Ostring II. Nur langsam kommt es hier zu einem Umdenken. Im Grunde sehe ich hier aber kaum Unterschiede zu den GRÜNEN, außer sprachlich.

Die FDP

Es liegt wohl kein PDF-Programm vor, aber hier das Kapitel zur Mobilitätswende

Ehrlich gesagt bin ich zu müde das jetzt auch noch zu kommentieren, ich sage nur “Wasserstoff-Tankstellen” als Forderung. Diese Partei ist jenseits von Gut und Böse.

Der SSW

Auch dazu keinen Kommentar. Das Programm ist eher ein Witz.

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