Die letzte Woche fing am Montag, den 7. August 2023 an
Fördetunnel-Diskussion
Jedes Sommerloch braucht Themen. Eines davon ist die Idee eines Tunnels durch die Förde. Obwohl die Stadt Kiel das Thema bereits am 25. Juli auf einem Facebook-Post thematisierte, spießte die KN (Kieler Nachrichten) dies erst am 5. August auf. Angeblich war es ein „Eigentor” der Stadtverwaltung. Diese erklärt:
Wieso baut Ihr eigentlich keine Brücke über die Förde? Oder einen Tunnel untendurch? Ihr habt gefragt, unsere Expert*innen antworten.
🌉 Querung über die Förde - ist das möglich mit einer Brücke?
👉 Die Sehnsucht nach einer festen Förde-Querung ist verständlich. Aber eine Brücke als Weg übers Wasser in Kiel müsste hoch und lang gebaut werden, um West- und Ostufer zu verbinden. Einer der wesentlichen Gründe: Die Schiffe müssen unter der Brücke durchfahren können. Deshalb müsste man einen weiten Bogen bei der Konstruktion spannen.
Zu weit, um die Brücke gut an das städtische Straßennetz anzuschließen. Hinzukommt: Ein Brückenbau in der Länge würde stark in die Natur eingreifen. Planung und Bau würde lange Zeit in Anspruch nehmen. Und die Finanzierung ist völlig ungeklärt.
🕳️Querung unter der Förde - ist das möglich mit einem Tunnel?
👉 Ein Tunnel durch die Förde? An sich eine gute Idee. Aber gegen Planung und Realisierung sprechen dieselben Gründe wie bei der Brücke: Ein Tunnel müsste tief und lang unter der Förde gegraben werden. Diese Konstruktion erfordert eine Planung für Start und Ende des Tunnels weit jenseits des Wassers.
Das wiederum bedeutet: Eine Anbindung an das Verkehrsnetz der Netz wäre nicht möglich. Zudem wären die Eingriffe in die Natur nicht zu rechtfertigen. Planung und Umsetzung des Baus würden sehr lange dauern. Und auch hier ist die Finanzierung völlig ungeklärt.
Die KN veröffentlicht diese Karte als Entwurf eines möglichen Tunnels:
Wir sehen hier, dass vorgeschlagen würde den Tunnel von der Badestelle Bellevue zum Badestrand Hasselfelde zu führen. Es erinnert an den Vorschlag der CDU aus 2017 an eine Autofähre über die Förde zu bauen. Bereits damals konnte die Frage nicht beantwortet werden, wie denn Anschlüsse passieren sollen? Und bei der Abbildung der KN fragt man sich auch: Sollen beide Badestellen verschwinden? Oder sollen die Leute da baden, wo der Autoverkehr durch braust?
Ganz nebenbei kam in der Diskussion dann auch der Vorschlag einen Nur-Radfahr-Tunnel zu bauen. Was Alois Steiner, Professor für Geotechnik im Wasserbau an der FH Kiel begeistert aufgriff.
Da wurde nicht viel nachgedacht: Es wird von der Lösung bzw. einer Form ausgegangen und dann erträumen sich Auto- und Radfahrende und Bauingenieur*innen das, was sie sich idealerweise vorstellen. Aber die Begeisterung für Barrieren ist bei Rad und Fuß nicht sehr hoch 1 (ITDP).
Auch die GRÜNEN Kiel sind auf das Sommerlochthema aufgesprungen: Pressemitteilung: Fahrradtunnel als echte Möglichkeit in Betracht ziehen.
„Wir wollen, dass die Kieler*innen mehr Fahrrad fahren. Neben den vielen kleinen Verbesserungen braucht es bei den Radverbindungen zwischen Ost- und Westufer aber auch große und visionäre Projekte – wie etwa den vielfach diskutierten Fahrradtunnel oder eine zweite Hörnbrücke”, so Maik Kristen.
… Die Grüne Ratsfraktion will deshalb eine Machbarkeitsuntersuchung in Auftrag geben, die die Möglichkeiten der Fördequerung aufzeigen soll.
Ich halte das Ganze eher für eine Ablenkung. Die Ost-West-Verbindung ist sicher wichtig. Aber es stimmt schon bedenklich, dass hier
- Eine reine Autoverbindung und
- eine reine Rad/Fuß-Verbindung in einem Atemzug genannt werden.
Das drängendste Problem, was zunächst gelöst werden muss ist eine sichere Querung von und nach Gaarden. Eine Querung in Höhe Hasselfelde/Bellevue wäre für alle Ein wohner*innen südlich der Schwentine (Gaarden, Ellerbek, Elmschenhagen, Ellerbek) gar keine Lösung (ca. 50.000 Ew.). Im Gegenzug geht es beim Rad primär nur um Neumühlen-Dietrichsdorf (rd. 12.000 Ew.). Ja, da ist auch die Fachhochschule. Aber das ist eben auch nicht alles.
Bei einem Autotunnel wäre außerdem zu berücksichtigen, ob dieser dann überhaupt für Busse oder Stadtbahn geeignet wäre. Stadtbahn wäre vielleicht tatsächlich eine Option. Aber dann müssten völlig neue Strecken geplant werden. Dabei ist der Hein-Schönberg nicht einmal fertiggestellt. Den Autofahrenden einen Zeitvorteil gegen+über dem ÖPNV zu verschaffen würde natürlich eher Leute vom Bus zum Auto locken und damit die Staus verlängern. Und wie viele Spuren müsste so ein Tunnel haben?
Öffentliche Zahlen gehen von Kosten von ca. 300 Mio Euro für rd. 1 Kilometer Unterwassertunnel aus. Ich denke aber je kürzer, desto unwirtschaftlicher und auch desto geringer die Zeitersparnis. Ich komme bei 1,6 Kilometer dann auf rd. bzw. mit Inflation über 500 Millionen Euro. Ob so eine Ausgabe heute angesagt ist in Kiel, mitten in der Planung der Stadtbahn und ohne, dass die Verbindung nach Gaarden gelöst ist? Das Argument: Gerade gäbe es viele Baustellen kann auch nicht überzeugen. Sind diese Baustellen doch lediglich temporär.
130 Parkplätze müssen sterben
Die Reformation der Parkmöglichkeiten bedeutet, dass im Stinkviertel 130 Parkplätze nicht mehr verfügbar sind. Manche sagen, dass diese nie existiert haben. Ja, das kann man so sehen. Aber ich sehe es eher so, dass Menschen ihr Privileg verlieren, dass auch wenn illegal, als ihr Recht ańgesehen haben. Mir ist es eigentlich egal ob legal oder illegal: Der städtischer Raum muss neu verteilt werden.
Die Autofahrerpartei CDU schäumt, aber hat auch den Wahlkampf verloren, bei dem sie monothematisch dafür warben, dem Zurückdrängen des Autos in Kiel etwas entgegen zu setzen. Der Fraktionsvorsitzende Kreutz steht dabei für die alte Verkehrspolitik, bei der alles gut ist, was dem Auto nützt. Und das Verkehr auf Aufgenhöhe bedeutet, dass allen etwas genommen werden darf, außer dem Auto. Weil Manche eben gleicher sind. Ein echtes Konzept hat die CDU nicht.
Es sei darauf hingewiesen, dass weniger Parkplätze insgesamt durchaus das Angebot an freien Parkplätzen erhöhen können. Denn einen Parkplatz zu finden und das Vorhandensein freier Parkplätze ist nicht identisch. Weniger Parkplätze bedeutet auch oft, das Fahrten und somit auch Autos in einem Viertel wegfallen können. Denn man fährt da dann gar nicht mehr rein, weil man da „immer” das eigene Gefährt abstellen kann. Dafür gibt es zahlreiche Beispiele.
Ein großer Teil städtischen Raums gehört dem Auto. Zufahrten, Abfahrten, Straßen, Parkplätze, usw.. In Städten, die nicht mehr wachsen muss daher Raum umverteilt werden, um zB mehr Wohnraum zu schaffen. Mehr ist dazu nicht zu sagen.
Scheiß Asphalt
Der hochgelobte Spezialasphalt, der die Stickoxide auf dem Theodor-Heuss-Ring schlucken sollte hat weder gewirkt, noch war er haltbar. Das schreibt die KN auf Theodor-Heuss-Ring in Kiel: Spezial-Asphalt wird zum teuren Flop:
Der Spezial-Asphalt zur Schadstoffreduzierung auf dem Theodor-Heuss-Ring ist nach nur sechs Jahren stark beschädigt – und war offenbar unwirksam. Den teuren Flop hätte die Stadt Kiel zum Teil bereits erahnen müssen, kommentiert KN-Reporter Jonas Bickel.
Ich hatte dazu bereits 2017 berichtet. Nun wird die Realität deutlich. Nicht nur die Luftsauger waren eine Fehlinvestition. Die meisten Reduktion bewirkten bisher die zahlreichen Baustellen. Den neuesten Grenzwerten der WHO (und dem Vorschlag der EU-Kommission) zu Stickoxiden und Feinstauben wird Kiel bisher nicht gerecht. Man hat bis heute nicht gehandelt.
Fußnoten
Pedestrian Bridges Make Cities Less Walkable. Why Do Cities Keep Building Them? (Institute for Transportation & Development Policy, ITDP)↩︎