Ukraine 2024

Autor:in

Thilo Pfennig

Veröffentlichungsdatum

6. Dezember 2023

Drone

Drohnenflugtrainingtraining - Some rights reserved Der Russisch-Ukrainische Krieg läuft seit Februar 2022. Zu Opferzahlen ist nichts genaues zu erfahren. Zu russischen Soldaten scheint mir 120.000 eine realistische Zahl zu sein. Bei den Ukrainischen Soldaten ca. 70.000. Und rund 22.000 getötete ukrainische Zivilisten.

Es wir vielleicht Zeit vor dem Jahrestag im Februar 2024 zurückzublicken:

Ursachen des Krieges

Zu den Ursachen gibt es verschiedene Sichtweisen.

In seiner Rede kurz vor dem Einmarsch rechtfertigte Putin den Angriff damit, jene Menschen zu verteidigen, die vom Kiewer Regime misshandelt und ermordet würden. Die russische Armee werde sich um eine „Entnazifizierung” der ukrainischen Gebiete bemühen und gegen den „Genozid”, gegen den Völkermord an Russen, ankämpfen. (Quelle: Deutschlandfunk)

In den Grenzregionen zu Russland kamen laut Amnesty International rund 14.000 Menschen auf beiden Seiten vor dem russischen Einmarsch um. Es kam von beiden Seiten zu Angriffen und auch Folter. Doch der Einfluss Russlands in Donbass und Luhansk wurde stärker und Russland gab auch russische Pässe aus.

Im Zuge des Ukraine-Konflikts hat es seit 2014 Kriegsverbrechen auf beiden Seiten gegeben, denen Tausende Unschuldige zum Opfer gefallen sind. Doch der russische Vorwurf eines „Genozids” im völker- rechtlichen Sinne wird von praktisch allen seriösen Quellen zurückgewiesen – und von keinem westlichen Medium als stichhaltig beurteilt. Nur in russischen Staatsmedien wird der Vorwurf verbreitet. Hier fällt ferner auf, dass meist auf Putins Rede vom 15. Februar Bezug genommen wird und keine unabhängigen Quellen zur Stützung der These herangezogen werden (Quelle: Politische Bildung NRW)

Von der deutschen Friedensbewegung bzw. auch Antiimperialisten wird aber gar nicht so sehr auf diese Vorgeschichte Bezug genommen. Stattdessen wird oft der russische Einmarsch als alternativlose Notwehr Russlands gegen eine Expansion der NATO gesehen.

Wenn man zurückblickt, haben Russland und Putin ihre Argumentation auch verstärkt diese im Westen von der linken Opposition und AfD übernommen.

Viele Antiimperialisten kritisieren zwar auch oft den „Angriffskrieg Russlands”, aber dann hört es auch schon auf mit dem Verständnis für die Ukraine. Aus einem Aufruf:

Wir verurteilen den russischen Angriff auf die Ukraine und Russlands fortgesetzte Eskalation des Kriegs. Ebenso verurteilen wir die anhaltende Eskalation seitens der NATO-Staaten, die wie die EU einen Anteil an der Zuspitzung des Konfliktes um die Ukraine hat.

Im Grunde ist die Kernthese hier, dass nach dem Zerfall der Sowjetunion die NATO keine Osterweiterung hätte durchführen dürfen. Es wird auch behauptet die NATO hätte das zugesagt (SWR). Allerdings gibt es dazu keine unterschriebenen internationalen Dokumente und Abkommen.

Ungarn, Besuch Außenminister Genscher -This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Germany license. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_B_145_Bild-F083119-0005,_Ungarn,_Besuch_Au%C3%9Fenminister_Genscher.jpg

Wir waren uns einig, dass nicht die Absicht besteht, das NATO-Verteidigungsgebiet auszudehnen nach Osten. Das gilt übrigens nicht nur in Bezug auf die DDR, die wir nicht einverleiben wollen, sondern das gilt ganz generell.

Bundesaußenministers Hans-Dietrich Genscher, Februar 1990

Länder wie damals Ungarn, die Tschechoslowakei oder Polen sind nicht aus freien Stücken Teil des Warschauer Pakts geworden. Und während des Prager Frühlings wurden ja auch Befreiungsversuche brutal unterdrückt. D.h. es gab eine Erfahrung mit dem großen Nachbarn Sowjetunion und auch eine Angst. Was auch immer man von der NATO halten mag, möchte wohl kein Land alleine dastehen, wenn Russland angreift.

Von Kritikern der Osterweiterung wurde immer gesagt, dass Russland keine solchen Expansionspläne hätte. Und auch Russland versicherte bis zum Februar 2022, dass sie so etwas nicht vorhaben würde. Aber es gab ja eben auch die Erfahrungen mit der Besetzung der Krim 2014, den Konflikt mit Georgien und die Tschetschenien-Kriege (ab 1994).

Der Beitritt Finnlands und geplanter Beitritt Schwedens wurde sicher auch durch den Ukraine-Krieg ausgelöst oder beschleunigt. Es ist also in vielfacher Hinsicht auch eine selbsterfüllende Prophezeiung. Oder man könnte auch sagen, dass zB Polen heute froh ist, damals in die NATO aufgenommen worden zu sein, weil sie sonst noch vor der Ukraine überfallen worden wären?

Für Russland ist die EU und NATO eine Bedrohung, alleine durch ihre Existenz und dadurch, dass sie eine alternative zum „russischen System” darstellen, auch und gerade für die russische Jugend. Man kann und muss zurecht den real existierenden Kapitalismus kritisieren, der auch in Osteuropa teilweise recht gnadenlos Existenzen vernichtet hat.

Dennoch muss man eben auch sehen, dass die überwiegende Zahl westeuropäischer Staaten demokratisch organisiert sind mit einem Mindestmaß an Mitbestimmung und freie Meinungsäußerung ab. Wohingegen in Staaten wie Russland Andersartigkeit oder Regimekritik bis hin zur Folter und Tod verfolgt werden.

Wohin von hier?

In der Kritik stehen Waffenlieferungen des Westens. Dieser soll die Ukraine (außer vielleicht humanitär) nicht weiter unterstützen. Die Grundidee kann man mit einer Appeasement-Politik bezeichnen.

Diese war in den 30er Jahren unter anderem verantwortlich von den 2. Weltkrieg. Denn Hitlerdeutschland wurden Signale gesendet, dass man den Frieden um jeden Preis sichern wollte und dafür dann zB die Unabhängigkeit dritter Staaten wie Tschechoslowakei ohne diese zu fragen zu opfern. Heute wollen manche Leute wieder, dass Biden einfach seinen Deal mit Putin macht und so die Ukraine aufteilen, ohne sie zu beteiligen.

Nach 2014 hat Deutschland durch das weitere Importieren billigen Öl und Gas und dem Forcieren der Nord Stream 2 Pipeline hunderte Milliarden in den Staatshaushalt Russlands gepumpt und somit auch die Aufrüstung der russischen Armee finanziert. Und so eben auch erst die Invasion der Ukraine. Die Ukraine hat immer gewarnt und gebeten diese Pipeline nicht weiterzubauen (Reuters 2018) mit dem Verweis auf eine Gefahr des eigenen Landes.

Also was wäre denn, wenn der Westen von heute auf morgen alle Waffenlieferungen einstellen würde? Man kann sich denken, dass es nicht sofort zu einem Frieden kommen würde. Die wahrscheinlichste Entwicklung wäre, dass der Widerstand vermehrt in den Untergrund gehen würde. Russische Truppen würden sich auf das gesamte Staatsgebiet der Ukraine ausbreiten, die ukrainische Regierung würde vermutlich umgebracht, genau so wie viele Ukrainer*innen und Kinder.

Das alles hat bereits stattgefunden, wie man an den Opferzahlen sieht. Russland hat immer primär die Zivilbevölkerung angegriffen, gerade wenn militärische Erfolge ausblieben.

Realistisch gesehen würde aus einem Krieg der Armeen zweier Staaten also eine Bürgerkrieg an jeder Straßenecke mit Guerillanangriffen, Vergewaltigungen, Folter, zig Millionen Geflüchteten. Ein einfaches Ende des Krieges ohne weitere Konflikte erscheint vor dem Hintergrund der vergangenen Kriege Russlands als vollkommen unrealistisch und sehr wahrscheinlich die viel größere Katastrophe. Und nach diesem Erfolg kann der Appetit Russlands auch nur größer werden.

Es kann also nur zu einem echten Frieden kommen, wenn beide Seiten zufrieden sein würden und es auch ein Ende aller Konflikte kommen würde. Wie die Konflikte im Donbass usw. gezeigt haben, bedeutet eben ein rein rechtlicher Friedenszustand nicht, dass niemand stirbt.

Ich sehe die Entwicklung allerdings nicht solange Putin-Russland aktiv Konflikte weltweit schürt. Der Frieden 2014 war eben nicht das Ende des Konfliktes. Es ist eben schon sehr ähnlich zu Deutschland der 30er Jahre. Damsl konnte man mit Hitler auch keine Deals machen und damit dauerhaften Frieden sichern.

Ich sehe aber auch keine Eskalation zu einem Atomkrieg kommen. Aber 3. Weltkrieg? Ich glaube in dem befinden wir uns bereits. Konflikte ohne Anfang und Ende und teilweise unübersichtlich. Die eine Seite ist zufrieden damit Konflikte zu schüren. Ähnlich auch wie durch Terroranschläge . Es sorgt für eine Atmosphäre der Verunsicherung. Und es entzieht auch den Demokratien Vertrauen. Mehr Leute denken darüber nach, ob nicht ein einfacher Frieden mit Russen ein Ende von allem bedeuten könnte. Also endlich wieder billiges Russengas und ein Wiederaufleben der deutsch-russischen Freundschaft.

Das ist aber doch im besten Fall eine naive Melancholie.Die Bedingungen weltweit sind brutal. Und wir sind täglich auch Manipulationen ausgeliefert auch durch die Erdogans, die Trumps, die Orbans die Wilders, Brexit, AfD,… Die alle klatschen in die Hände und freuen sich, wenn wir uns selber zerlegen und wenn wir verlernen Unterschiede zwischen Staaten und Demokratien wahrzunehmen. Das ganz dann mehr auch noch unterstützt durch KI und Social Media. Wer weiß noch, was wahr ist? Wen interessiert noch die Wahrheit. „Truthiness” „gefühlte Wahrheit” nannte es Steven Colbert. Da kannst du am Ende gar nicht gegegenan argumentieren.

Für mich ist aber klar: Russland hat die Ukraine angegriffen und nicht die NATO hat die Ukraine oder gar Russland besetzt. Also alle Theorien, die die Hauptschuld bei NATO sehen, bedienen ausschließlich die Narrative Russlands und sollen dafür sorgen, dass die Demokratie in der Ukraine geschwächt wurde. Diese ist durch Zwangsmobilisierung und eben den Krieg eh schon angeschlagen und sicher sehr verbesserungsfähig. Aber wenn Russland erst die Ukraine übernimmt wird es wohl kaum besser.

Kann die Ukraine gewinnen? Die Zukunft ist ungewiss. Lange Jahre schien es ausgeschlossen, dass die Alliierten die Achse besiegen könnten. Es ist keine gerade Linie. Wenn Russland gewinnt aber sicher nicht der Frieden gewinnen, sondern der Krieg als Mittel der Politik.

Es gibt keine einfache Lösung. Und es ist eben auch die Frage welchen Frieden man haben will? Ein Frieden bei dem jede*r, der seine Meinung sagt an die Wand gestellt wird?

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