Kritik zu Rheinmetall entwaffnen

Autor:in

Thilo Pfennig

Veröffentlichungsdatum

1. September 2024

Schlüsselwörter

Ukrainekrieg, Rheinmetall, Kiel, Israel, Werftpark, HDW, Antisemitismus, Antimilitarismus, Waffenexporte, Rojava, Islamischer Staat, Genozid

Werbeplakat Rhenmetall Entwaffnen

Plakat der Veranstalter*innen

Da das antimilitaristisch Camp „Rheinmetall entwaffnen“ unweit von meinem eigenen Wohnung stattfindet, möchte ich zu einigen Texten Stellung nehgmen, zB. : Communiqué von Rheinmetall Entwaffnen: Stoppt den Krieg in Rojava Stellung zu nehmen.

Das Communiqué fängt so an:

Wir werden keine Hierarchie des Leidens akzeptieren, wie sie uns täglich vorgesetzt wird und – schon so lange wir denken können – serviert wurde….

Ich werde darauf später noch zurückkommen. So ist es zunächst einmal nur eine isolierte Aussage. Das Titelbild zeigt offensichtlich 2 kurdische Kämpferinnen in Militäruniform.

Im weiteren werden als Konflikte identifiziert: 1. der Gazakrieg 2. der Krieg in der Ukraine 3. „viele andere gegenwärtige un vergangene Kriege, und für die Gräueltaten, die im Namen des vermeintlich notwendigen Sieges verübt werden„

Hier fällt mir schon auf, dass es hier sehr unterschiedliche Konflikte sind, die man nur schwer zusammenfassen kann.

Weiter im Text: > Rojava, die Selbstverwaltung und die kurdische Freiheitsbewegung sind unsere politischen Verbündeten. Sie sind unsere Vorbilder. Sie sind der Adressat unserer politischen Solidarität. Sie sind in unseren Herzen und unseren Köpfen.

… dann wird der Genozid an den Jesid:innen durch den IS beklagt. Und die Einordnung von PKK/YPG als Terrororganisation.

Im Talmud heißt es, dass wer auch nur ein Leben rettet, die ganze Welt rettet. Die PKK hat schon tausend Welten gerettet

Ein interessanter religiöser Bezug zum jüdischen Talmud, wenn man den Gesamttext betrachtet.

Ein weiterer Text: Communiqué von Rheinmetall Entwaffnen zum Gazakrieg

Hier wird das Ende des „Krieg in Palästina“ gefordert und ein Ende von Waffenlieferungen

Wir weisen eine Erzählung zurück, die den Konflikt an einem Oktobertag im Jahr 2023 beginnen lässt, um die brutale Reaktion Israels und die über 37.000 Toten, darunter über 13.000 Kinder, in Gaza zu rechtfertigen.

Hier wird der Versuch unternommen, das größe Pogrom gegen Juden nach dem 2. Weltkrieg zu negieren und in einen Kontext zu stellen als legitime Gegenwehr und auch als Teil einer antikolonialen Bewegung. Das ist eine stark antisemitische Position. Organisationen, die diese Pogrome negieren und gleichzeitig von Genoziden Israels reden, bedienen damit eher klassische, antisemitische Positionen.

Weiter zu Antisemitismus:

Zugleich wollen wir betonen, dass Antisemitismus zunächst einmal ein christlich-europäisches, damit auch ein deutsches Phänomen ist.

Das ist wissenschaftlich nicht haltbar.

Zum russichen Angriffskrieg findet man diesen Text: https://rheinmetallentwaffnen.noblogs.org/post/2024/02/14/gegen-jeden-krieg-zwei-jahre-sind-zu-viel/

dort u.a. > Der ukrainische Bürgerkrieg eskalierte in einen Krieg zwischen zwei Staaten, der bis jetzt über hunderttausend Tote forderte und bei dem auch zwei Jahre später noch kein Ende in Sicht ist.

und:

Wir wollen unser Augenmerk deshalb nicht auf den 24.02. lenken, weil wir glauben, dass hier der Anfang allen Übels war, sondern weil der russische Staat durch seinen Einmarsch und die NATO-Verbündeten durch ihre alternativlose Kriegs – und Aufrüstungspolitik seitdem einen Krieg eskaliert haben, bei dem das Ende noch immer nicht in Sicht ist.

Hier mein Zwischenfazit aus den Texten:

Das Bündnis wendet sich nicht per se gegen Gewalt oder Krieg und sieht zB die PKK als Verbündete und wirbt in Bildern durchaus für bewaffneten Widerstand. Die Kritik an der Türkei ist dabei natürlich berechtigt und ebenso kann man Waffenlieferungen der letzten Jahrzehnte an die Türkei kritisieren.

Aber sind überhaupt bewaffnete Befreiungsbewegungen heutzutage noch zeitgemäß? Russland hat seinen Einmarsch in die Ukraine auch als Befreiungsbewegung geframet, wie bereits in anderen Konflikten innerhalb und außerhalb Russlands seit den 90er Jahren.

Auf der anderen Seite werden in den Texten die Rechte der Ukraine oder Israels auf Selbstverteidigung eher negiert, bzw. dazu aufgerufen, diesen Ländern keine Waffen zu liefern. Aber Waffen zB für die PKK sind okay.

Hier zeigt sich bei dem Bündnis genau diese „Hierarchie des Leidens“, den sie oben in den Medien kritisiert haben. Es fehlt fast vollkommen eine Kritik Russlands für den Einmarsch und Fortsetzung des Krieges. Es wird auch eher mit einem internen ukrainischen Bürgerkriegs verharmlost, während Israel mit weit stärkeren Worten als fast personifiziertes Böse beschrieben wird.

Die Texte armen eben sehr stark klassische internationalistische Positionen, in der Konflikte immer gerne in eine bestehende ideologische Sichtweise eingeordnet werden. Dabei fällt dann aber komplett weg, was zB in Russland seit den 90er Jahren in einem Dauerkriegszustand passiert.

Und man erkennt auch keine echten Lösungen für diverse Konflikte. Aus meiner Sicht sind bewaffnete Befreiungsbewegungen für ein „Volk“ heute nicht mehr zeitgemäß und vertretbar. Alleine schon deswegen, weil sich Völker nicht klar abgrenzen lassen. Es gibt viele Weg des Widerstands. Und wenn man eigentlich antritt gegen Gewalt und gegen Waffen, so muss das an sich unterschiedslos gelten, ODER eben in Anerkennung der aktuellen Situation. Was Russland angeht, so muss man sich halt fragen, ob wir in Europa einer gewaltsamen Invasion und Grenzverschiebung von Ländern zuschauen wollen (egal von welcher Seite). Wollen wir zuschauen, wenn ein europäisches Land das andere erobert und das ganze auf brutalste Art und weise?

Der Israel-Konflikt ist kompliziert. Hier denke ich, dass die Anerkennung und Beurteilung von Gewalttaten jeweils für sich genommen erfolgen muss. Und dann eben die Frage, ob eine Aktion oder Reaktion gerechtfertigt und vertretbar ist. Und dann gibt es vielleicht einen Graubereich, wo die eine oder andere Seite Grenzen überschreitet. Und dann wiederum die Frage, wie man darauf reagiert. Daraus ergibt sich für mich, dass man Pogrome eben beim Namen nennen muss. Aber natürlich müssen auch die Aktionen der IDF kritisch betrachtet werden, ob die Reaktion noch angemessen ist und wie die Perspektiven aussehen und wie die Alternativen.

Alles jetzt in eine Timeline zu schmeissen und den 7. Oktober lediglich auf einen Punkt in einer langen Vorgeschichte zu reduzieren, kommt einer Legitimation eines Pogroms gleich. Antisemitismus fängt für mich da an, wo zB etwas, dass in Israel passiert als brutal bezeichnet wird und bei Russland gerechtfertigt oder relativiert wird.

Unter dem Strich ist ja die Frage, wie wir zu einer gerechteren und sichereren Welt kommt. Sicherheit für wen? Und was Rüstung angeht, ist das naturgemäß ein sehr blutiges Thema. Es gibt KEINEN gerechten Krieg oder gerechte Gewalt. Es gibt allenfalls nachvollziehbare Gewalt als Reaktion auf eine bestehende Aggression. Hier ist dann immer wieder die Frage, wie weit darf „Gegengewalt“ gehen. Oder für uns hier in Deutschland oder individuell, was wir unterstützen wollen oder müssen, und wogegen wir uns wenden sollten.

Mobi-Video:

Im Anhang noch diese Doku zu PKK in Europa:

KN-Artikel: 31.8. Bis zu 800 Teilnehmer erwartet: Aufbau zum Camp „Rheinmetall entwaffnen“ hat begonnen

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