Kiel zwischen Autobahn und Stadtbahn

Autor:in

Thilo Pfennig

Veröffentlichungsdatum

6. Dezember 2024

Geändert

6. Dezember 2024

Schlüsselwörter

B404, A21, Stadtbahn, THRing, KielAutofrei

In den letzten Tagen gab es einiges an verkehrspolitische Entwicklungen und Debatten in Kiel und Schleswig-Holstein.

Stadtbahn

Zum einen gab es den „Letter of Intent“ zwischen dem Land Schleswig-Holstein und der Landeshauptstadt Kiel, womit sich die Landesregierung verpflichtet.

Dazu auch NDR-Beitragzur Stadtbahn

Im Vorfeld hatte sich die Ortsgruppe der Kieler CDU versucht ihre Unterstützung zurückzuziehen:

Diskutieren Sie mit:! Stadtbahn: Ja oder Nein, 22. November CDU Instagram

Instagram-Post der CDU Kiel

Während die CDU den Ausbau der B404 zur A21 für alternativlos hält, meint sie, dass man mit ein paar Elektroautos kleinen autonomen Bussen alle Verkehrsprobleme des ÖPNV lösen könnte:

ehemalige Oberbürgermeisterin Angelika Volquartz (CDU) auf Instagram

Kiel beschäftigt sich jetzt seit 1985 mit dem Themenbereich Straßenbahn, Stadtregionalbahn, Stadtbahn. Meines Wissens ist Kiel die einzige Landeshauptstadt ohne schienengebundenen Verkehr. Und vielleicht auch die einzige Großstadt und Universitätsstadt, die meine ohne dies auszukommen. Immer wieder wurden Pläne gemacht, weitere Untersuchungen, Vorzugslösungen erarbeitet, der Konsens gesucht und dabei sowohl der Opposition als auch mächtigen Wirtschaftsvereinen nicht nur die Mitsprache ermöglicht, sondern auch weitgehende Zugeständnisse gemacht.

Man konnte eigentlich glauben, dass es inzwischen nur noch darum geht, wie man die Kuh vom Eis bekommt und das Ding möglichst zügig umsetzt. Doch nun hatte die CDU Kiel versucht die Uhr wieder zurückzudrehen, um wieder bei der Grundfrage anzufangen: Stadtbahn: Ja oder Nein? - So als wenn die letzten 10 Jahre nichts passiert wäre.

Das größte Gegenargument, dass gerne eingeworfen wird, sind immer die Kosten. Die würden derzeit geschätzt bei nahezu 1 Milliarde Euro liegen (Quelle: Wikipedia).

Langfristig soll die Stadtbahn im Betrieb aber günstiger sein als ein reines Bussystem. Bei jedem Kostenvergleich sollte man eben einen langfristigen Vergleich aufmachen und mit Alternativen vergleichen. Das hat man ja auch getan. Und neben Kosteneinsparungen, u.a. durch länger nutzbare Fahrzeuge, würde sich das Angebot ja auch verbessern. Die Stadtbahn wäre schneller, bietet mehr Platz/weniger Gedrängel. Für viele Menschen sind Schienenverkehre überhaupt erst der Punkt, wo man gerne mal damit fährt. Es schaukelt nicht so, es ist barrierefreier für Menschen mit Rollstühle, Rollatoren, Kinderwägen für Kinder u.a..

Wichtig ist auch, dass es nicht um die komplette Abschaffung der Busse geht, sondern um einige neue Schienen/Linien, die besonders vielversprechend sind. Für viele junge Leute ist so eine Infrastruktur auch selbstverständlich. Und Städte, die das nicht bieten werden gemieden, besonders wenn sie aus Städten wie zB Berlin oder Hamburg zum studieren nach Kiel kommen. Spätestens am Studienende zieht man dann dort hin, wo Arbeit gefunden wird, aber wo man auch bequem ohne Führerschein unterwegs sein kann. Natürlich auch bezahlbarer Wohnraum.

Natürlich wird die Stadtbahn auch zu Verwerfungen führen. Jede Maßnahme hat auch ihre Schattenseiten. Aber da muss man eben Vor- und Nachteile abwägen. Was aber nicht geht, ist jahrelange eben dies abzuwägen, sich dann für eine Lösung mit einem groben Konsens zu einigen und dann als Partei sich hinzustellen und Fragen zu stellen und für Verunsicherung zu sorgen. Oder gar, wie die CDU das ganze dann mit der Autobahn A21 zu verknüpfen. Das ist nicht lösungsorientiert, sondern nur noch populistisch.

A21

Womit wir schon beim zweiten Thema wären, der Frage, wie die A21 in Zukunft in Kiel endet.

Am 4. Dezember kommentierte Niklas Hielscher in einem umfassenden Beitrag auf LinkedIn die Sitzung des Wirtschaftsausschusses des Landtags zur Südspange und A21, die er live im Parlamentsradio verfolgte. In seiner Analyse hebt Hielscher besonders die überraschend kritischen Aussagen des DEGES-Vertreters Schönherr hervor, der zentrale Bedenken der Kieler Ratspolitik und des Bündnisses „Vorfahrt für den Klimagürtel“ stützte.

Ein prägnantes Zitat Schönherrs verdeutlicht dies:

„Ich habe mir das 2019 das erste Mal angeschaut und war erstaunt … man war wohl von einer ebenen Sandfläche ausgegangen“,

womit er die fehlerhaften Annahmen zur Umweltbetroffenheit des Projekts anprangerte.

Hielscher resümiert, dass die Südspange aus fachlicher Sicht gescheitert sei und eine alternative Lösung, wie der günstigere und umweltfreundlichere Ausbau der B404, als realistisch erscheine. Kritisch merkt er zudem an, dass die Berichterstattung der Kieler Nachrichten diesen Wendepunkt kaum widerspiegele und daher einseitig wirke.

NDR Bericht vom 4.12.

Am 22. November kritisierte das Bündnis „Vorfahrt für den Klimagürtel“ bereits das DEGES-Gutachten und die Planungen zum Ausbau der B404 zur A21 sowie zur Südspange in Kiel. Es bemängelt die fehlende Transparenz und öffentliche Beteiligung im Planungsprozess sowie die Verzögerungen der Studie. Die Ergebnisse bestätigen laut Bündnis, dass weder die Südspange noch der A21-Ausbau notwendig sind, da bereits ein vierstreifiger Ausbau der B404-Brücken ausreichend Kapazität bieten würde. Die geplanten Maßnahmen stünden zudem im Widerspruch zu den Klimazielen der Stadt Kiel.

Das Bündnis forderte, im Sinne der Kieler Klimaschutzziele alternative, weniger umweltschädliche Lösungen zu finden und spricht sich für Verhandlungen mit dem Bund über eine Bundesstraßenlösung aus, die Kosten sparen würde. Es rief die Kieler Politik auf, sich für den Schutz des Grüngürtels einzusetzen und demokratische Ratsbeschlüsse zu respektieren​

Ganz anders die CDU im Land und in Kiel zum Ausbau der B404 zur A21:

Ausbau der B404 zur A21: Keine weitere Verzögerung! Ratsleute Rockstein und Drewes verschränken die Arme.

Instagram-Post der CDU Kiel

Es fällt auf, dass da gar nicht mehr argumentiert wird:

Auch wenn es den anderen Fraktionen im Kieler Rat nicht passt: Alle wichtigen Argumente sprechen für den Ausbau der B404 zur Autobahn und zwar bis zum Barkauer Kreuz. Das Beharren in der Kieler Ratsversammlung auf den Ausbau als Bundesstraße ist ein Spiel mit dem Feuer.

Sollte der Bund zu dem Schluss kommen, beim Ausbau als Bundesstraße die Kosten für das Barkauer Kreuz, den Überflieger und den Lärmschutz nicht zu übernehmen, dann stehen wir in Kiel finanziell vor einem Scherbenhaufen. (R)

Es gab aber eine Änderung im Zuge der sogenannten Autobahnreform, die dem Bund mehr Verantwortung und Befugnisse im Bereich der Bundesfernstraßen eingeräumt hat. Seit dem 1. Januar 2021 kann der Bund nicht nur für Autobahnen, sondern auch für Bundesstraßen in Bundesverwaltung die Planung, den Bau und die Erhaltung direkt übernehmen, sofern ein entsprechender Antrag von einem Bundesland vorliegt.

Es liegt also eher an der Landesregierung, bzw. Verkehrsminister Madsen, ob Kiel eher eine Bundesstraße oder eine Autobahn finanziert bekommt.

Die Vorteile reduzieren sich ja auch dramatisch, wenn man sich eine Entlastung der B76 verspricht. Wir sprechen ja über ca. 1000 Meter. Irgendwann ist jede Autobahn zu Ende. Mit dem Argument: Nur noch die letzten 1.000 Meter könnte man auch argumentieren, dass die Autobahn dann ja auch bis zum Rathausplatz geführt werden muss. Oder auch komplett die B76 in der Kieler Innenstadt weiter zur Autobahn ausgebaut werden muss.

Es ist ja immer eine Abwägungsfrage von Kosten und Nutzen und Nachteilen. An sich sind wir ja an dem Punkt, wo wir jede Milliarde, die wir einsparen können auch einsparen sollten, bzw. Prioritäten setzen. In dem Fall gibt es in Kiel und Deutschland ja bereits eine umfassende Infrastruktur. Mehr als in irgendeinem anderen europäischen Land. Es muss daher schon sehr gute Gründe geben, wenn man so viel Geld in die Hand nimmt und sagt: Es braucht UNBEDINGT ein Upgrade.

Aus meiner Sicht bräuchte es da neben einer genauen Zieldefinition dann eben auch Argumente, welche positiven Wirkungen zB ein Ausbau zur Autobahn man sich erhofft. Nach Jahren der Reparaturen des Theodor-Heuss-Rings steht nur heute schon fest, dass ein Umbau erneut erhebliche Wirkungen auf den Verkehr hätte, also:

  1. sehr viel teurer

  2. sehr hohe Nebenwirkungen/Staus über Jahre - genau die Staus will man ja eigentlich vermeiden?

  3. Das alles mit dem Ziel irgendwann mehr Verkehr in Kiel zu haben und damit mehr Lärm und mehr Feinstaubbelastung?

  4. Es müssten neben der Autobahn weitere Straßen gebaut werden als Ersatz. Dort würden dann auch die KVG-Busse fahren müssen.

  5. Der Stadtteil würde durchschnitten und langfristig die Weichenstellungen Richtung Auto gestellt.

Fazit

Für die CDU Kiel ist der Ausbau der A21 wohl ein „no-brainer“, wohingegen sie die Stadtbahn in Gänze in Zweifel zieht. Einschränkungen beim Bau gäbe es zwar in beiden Fällen. Der Eingriff in die Natur wäre aber bei der A21 ungemein größer und bei der Stadtbahn wäre vermutlich eher das Schonen der Umwelt im Fokus. Es bleibt am Ende, dass der Ausbau der A21 primär das Ziel verfolgen würde, geringfügige und fragwürdige Verbesserungen für einen Teil der Pendler zu bekommen. Anwohner*Innen, der Umweltverbund aus Rad, Fuß und ÖPNV hätten dagegen große Nachteile. Wir stehen da in Kiel vor einer Weichenstellung: Zurück in die 50er Jahre, oder Anschluss finden an andere Großstädte mit einem leistungsfähigen ÖPNV?

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