Ich hatte zur Ratsversammlung am 17. Juli 2025 zwei Fragen zur Olympia-Bewerbung und den geplanten Bürgerentscheid. Ich konnte leider nicht an der Ratsversammlung teilnehmen. Daher meine Antworten her öffentlich:
Diese dokumentiere ich hier.
Frage 1: Es gibt Bestrebungen, dass Kiel sich an der Bewerbung einer weiteren Stadt für die Olympischen Spiele in der Zukunft beteiligt. Dazu ist, wie bereits 2015, ein Bürgerentscheid geplant. 2015 beteiligten sich lediglich 32 Prozent der Wahlberechtigten an der Abstimmung (zum Vergleich: In Hamburg lag die Beteiligung bei etwas mehr als 50 Prozent). Obwohl die Mehrheit der Abstimmenden in Hamburg gegen die Olympia-Bewerbung stimmte und das Referendum damit scheiterte, stimmten prozentual mehr Wahlberechtigte in Hamburg für die Bewerbung als in Kiel. Dennoch wurde damals wie heute von einer angeblichen „Olympia-Begeisterung“ der Kieler Bevölkerung gesprochen. Woran machen Sie diese Begeisterung fest, und womit begründen Sie den erneuten Versuch?
Antwort: Der Bürgerentscheid ist eine vom Gesetzgeber gegebene Möglichkeit, die Bevölkerung an wichtigen Entscheidungen zu beteiligen und steht allen Wahlberechtigten offen. Es ist eine freie Entscheidung an der Wahl teilzunehmen. Ähnlich wie bei politischen Wahlen sind die Ergebnisse bindend und repräsentieren den Willen der Wählerinnen, bei Bürgerentscheiden muss ein Quorum erreicht werden. Wahlen und Abstimmungen gehören zu den demokratischen Grundwerten. Es ist daher davon auszugehen, dass die Ergebnisse der damaligen Abstimmung auch die Meinung der Kieler Bevölkerung widerspiegelt. Gegnerinnen wie Befürworter*innen hatten beide die Möglichkeit zur Abstimmung. Hinzukommt die allgemeine Segelbegeisterung, die sich bei vielen Veranstaltungen auf und an der Förde zeigt wie zum Beispiel zur Kieler Woche, beim diesjährigen Start des Ocean Races Europe und vielen anderen Events. Der im Sommer 2011 gestartete Markenbildungsprozess zeigte ähnliche Werte und verdeutlichte, welche Attribute die Kieler Bevölkerung mit ihrer Stadt verbindet. Es ist daher durchaus berechtigt, von einer großen Segelbegeisterung in Kiel zu sprechen.
Meine Entgegnung:
Meine Frage zielte nicht darauf ab, die Abstimmung von 2015 für ungültig zu erklären. Formal ist es richtig, dass solange ein Quorum erreicht wird, ein Abstimmunsgergebnis gültig ist. Aber meine Frage zielte ja darauf ab, woraus die Stadt Kiel eine „Olympiabegeisterung“ ablesen will.
Die Antworten sind dann doch etwas mager. Keine harten Fakten, stattdessen argumentierte Stadtrat Stöcken mit Eindrücken oder den Besucherzahlen des Volksfestes Kieler Woche, wobei von den drei Millionen Besucher*innen wohl die wenigsten tatsächlich wegen dem Segeln kommen, sondern eher wegen Essen, Musik usw.
Frage 2: Aktuell gilt in Kiel eine Haushaltssperre, und auch für 2026 sowie die folgenden Jahre ist mit knappen finanziellen Mitteln zu rechnen. Viele Mittel wurden bereits gestrichen. So gingen 2025 alle Antragstellenden bei „Gemeinsam Kiel Gestalten“ aufgrund der Haushaltssperre leer aus, und für 2026 ist das Programm ausgesetzt. Gleichzeitig wird erneut eine Olympi- aBewerbung angestoßen, die Kiel – selbst wenn sie nicht erfolgreich sein wird – viele Hunderttausende Euro kosten wird. Zudem werden Mehrkosten von 45.000 Euro für einen eigenen Entscheid, der nicht gleichzeitig zur Oberbürgermeisterinnenwahl stattfindet, als geringfügig bezeichnet. Es entsteht der Eindruck, dass überall gespart werden soll, außer bei einer Olympia-Bewerbung. Wie wollen Sie den Einwohnerinnen dieses Risiko und die Mehrausgaben in solchen Zeiten vermitteln, zumal bekannt ist, dass Ausrichtungsstädte bei einer Durchführung immer draufzahlen (siehe The Oxford Olympics Study 2020) ?
Antwort: Die Landeshauptstadt hat von den letzten Olympischen Spielen in Deutschland und den Segelwettbewerben in Schilksee sehr profitiert und die damaligen Investitionen kommen Kiel heute noch zu Gute. Die Ausrichtung von Olympischen Spielen hatte sowohl wirtschaftlich als infrastrukturell einen erheblichen Mehr- wert. Noch heute profitiert die Stadt von dem Ausbau der Autobahn, der B76, dem Bau des Olympiazentrums Kiel Schilksee, der Olympiabrücke über den Nord-Ostsee-Kanal und vielen weiteren Dingen aus der damaligen Olympiazeit. Nicht zu vergessen, die hohe internationale Reputation als Segelstadt, die auch zum Erfolg der Kieler Woche beiträgt. Für zukünftige Olympische Wettbewerbe in Kiel sind nach heutigen Planungen die Investitionen überschaubar, da der Nachhaltigkeitsgedanke im Vordergrund der Spiele steht. Vor allem hier hat Kiel einen entscheidenden Vorteil, die meiste Infrastruktur ist vorhanden. Neben gewöhnlichen Investitionen, die zum aktuellen Bedarf in Kiel-Schilksee gehören und unabhängig von Olympia zu tätigen sind, wäre ein Olympisches Dorf notwendig. Dieser Bau würde im Anschluss der KiWoG übertragen und damit dem Wohnungsmarkt zur Verfügung stehen und für Entlastung sorgen. Der Bund hat seine finanzielle Beteiligung an Olympischen Spielen in Deutschland bekräftigt, so dass sich die kommunalen Kosten in Grenzen halten werden. Olympische Spiele haben in den letzten Jahren einen Wandel durchlaufen. Spielte früher „Gigantismus“ eine große Rolle, so stehen Werte wie Nachnutzung, Nachhaltigkeit, Beteiligung, Völkerverständigung wieder deutlich mehr im Vordergrund. Kiel hat die Chance zu zeigen, wie nachhaltige und weltoffene Spiele funktionieren können. Der Aufwand für eine Bewerbung soll auf ein Minimum reduziert werden. Die Mehrkosten für einen späteren Bürgerentscheid aus folgenden Gründen gerecht- fertigt: Die Zeit bis zu einem möglichen Bürgerentschied im Jahr 2026 gibt die Chance, die Konzepte zu verfeinern, Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen und den Kieler*innen die Möglichkeit zu geben, sich intensiv mit der Bewerbung zu beschäftigen. Ziel sollte es sein, möglichst viele aktiv zur Wahl zu bewegen. Die Verschiebung auf einen späteren Zeitpunkt wird auch dem Wunschgerecht, eine höhere Beteiligung zu ermöglichen. Wiegt man den wirtschaftlichen Nutzen gegen den zu leistenden Aufwand ab, so ist davon auszugehen, dass sich die Ausrichtung der Spiele auf Jahrzehnte gerechnet über alle Maße rentiert. Gerwin Stöcken Stadtrat
Aus der Antwort wird deutlich, dass Her Stöcken die von mir erwähnte Studie weder kannte noch gelesen hat. Denn die belegt sehr gut, dass trotz aller Versuche, Olympische Sommerspiele stets teurer werden und Städte tiefer in die Schulden ziehen. Er antwortet auch überhaupt nicht auf die Frage, was denn mit der Haushaltssperre ist, wo aktuell teilweise Bleistifte an Schulen nicht angeschafft werden können.
»Der Miesepeter von der Einwohneranfrage«
In einem späteren Punkt zur Olympiaabstimmung sprach Stöcken dann von mir abfällig als den „Miesepeter von der Einwohneranfrage“ . Kiel könne Olympia, weil Kiel Olympia könne (oder sowas).
Fazit
Die Antworten machen deutlich, dass Kiel seine Hausaufgaben nicht gemacht wird. Es wird eine blinde Olympiabegeisterung propagiert. Und alle die Fragen und Zweifel haben, gelten als Nestbeschmutzer und werden persönlich angegriffen. Das ist nicht sehr souverän. Mir ging es bei meinen Fragen auch um eine Versachlichung und darum Argumente reinzubringen, die bisher in der öffentlichen Debatte fallen:
32% Beteiligung an der Olympiaabstimmung ware kein guter Wert. Man kann sagen, dass formal das Ergebnis gültig ist, aber als Beleg für eine Olympiabegeisterung kann man nicht sprechen. In Hamburg haben mehr Prozent der Wahlberechtigten mit JA gestimmt, als in Kiel, nur das noch mehr Leute mit NEIN stimmten. D.h. die Olympiabegeisterung war in Hamburg eigentlich größer, aber die Mobilisierung der Gegner besser als in Kiel.
Die Haushaltssituation sind Fakt. Die Haushaltssperre besagt, dass Kiel eigentlich kein Geld mehr hat. Die Olympiabewerbung 2015 kostet wohl 440.000 € - und herausgekommen ist nichts! Es ist möglich, dass Kiel hier Millionen ausgibt bis zu dem Zeitpunkt, wo eine endgültige Entscheidung gegen Deutschland fällt. Und der Extra-Bürgerentscheid-Termin 2026 bedeutet auch einfach mal 40.000 € mehr ausgeben.
Boykott des Bürgerbegehrens?
Dieses Mal möchte ich den Bürgerentscheid boykottieren, weil er sowieso schon zu teuer ist. Außerdem scheint es der Stadt Kiel egal zu sein, wie viele Bürger mitmachen. Wenn weniger als 32% der Bürger teilnehmen, könnte das ein stärkeres Zeichen sein, als wenn nur etwas mehr Leute dagegen stimmen. In Kiel haben die Gegner*innen ein Problem, die Leute zu mobilisieren. Viele Gruppen halten sich bei diesem Thema zurück. Ich glaube nicht, dass wir eine starke gemeinsame Gegenkampagne auf die Beine stellen können. Aber wir könnten dem IOC und DOSB zeigen, dass die Unterstützung in Kiel sinkt. Außerdem sind wir gegen die teure Extra-Abstimmung. Das Geld könnte man besser woanders gebrauchen!