Wir befinden uns im Niemandsland zwischen dem Auslaufen der alten und der Gründung einer neuen Bundesregierung. Um das noch mal zu rekapitulieren, was den Wahlkampf prägte:
Bei der letzten Bundestagswahl entstand als neue Bundesregierung zum ersten mal eine Dreierkoalition, meist als “Die Ampel” bezeichnet. Die Koalition platzte dann an Streitpunkten vor allem zwischen FDP und SPD (Stichwort „Offene Feldschlacht“)
Bestimmtes Thema war die Migration. Dabei ist sehr umstritten, wie wichtig es den Bürger:innen war. Aber im Effekt in den Medien und den politischen Debatten ging es um nicht viel Anderes.
Dabei ging es bei den Debatten sehr durcheinander. War es 2015/2016 eher eine grundsätzliche Kritik an Zuwanderung und der „Überforderung“ von Kommunen, wurde 2024/2025 die Migration auf den Aspekt von Kriminalität und Anschlägen zugespitzt. Und dabei ging es dann einerseits um eine angeblich mögliche Zuzugsbegrenzung und im gleichen Maße um Abschiebungen. Die Diskussion lief dabei weitgehend faktenbefreit und auf Schlagworte fixiert. Letztendlich ging es weder darum Anschläge in Zukunft zu verhindern, noch wirklich effektiv den Zuzug zu beschränken oder mehr Menschen abzuschieben. Davon abgesehen, dass natürlich die Zielsetzungen als solches fraglich erscheinen.
Zum einen ist es in einer modernen Gesellschaft so, dass immer noch Gewalt an der Tagesordnung ist. Der Versuch es darauf zu reduzieren das quasi ausschließlich Menschen, die ausländisch gelesen werden, Anschläge oder Gewalt begehen ist alleine deshalb falsch, weil es eben keine Rassen gibt. Und aus den wenigen Fällen pro Tag darf man daher natürlich nicht Eigenschaften auf 99% einer Bevölkerungsgruppe verallgemeinern.
Gleichzeitig gab es eigentlich kaum bis keine praktikablen Vorschläge, die schnell entweder Asylverfahren beschleunigen, oder Gewalttäter zu identifizieren oder Menschen mit psychischen Problemen zu helfen. In fast allen Fernsehtalkshows wurden die Debatten verengt und es lief am Ende darauf hinaus, dass die Politik so handeln soll, wie es die AfD verlangt - und andere Ansätze wurden oft abgewürgt und nicht zugelassen.
Fast alle Parteien beteiligten sich an dieser Rechtsverschiebung politischer Debatten in den letzten Jahren. Ja, auch Politiker wie Ramelow, der noch im September von der Überforderung Thüringens schwadronierte. In den Analysen der Bundestagswahl wurde dann auch deutlich, dass keine Partei außer der AfD von dieser Rechtsverschiebung profitieren konnte. Ob nun BSW, SPD, Grüne oder CDU/CSU. Die einzigen, die zulegen konnten waren die Linken, die konsequent eher nach links rutschten und davon als Alleinstellungsmerkmal profitierten.
Allerdings hat die Stärkung der Linken und die damit verbundene Schwächung von SPD und Grünen eher der CDU/CSU und der AfD genützt und konnte den Rechtsrutsch nicht aufhalten.
Die Union wiederum hat sich durch ihr Abstimmungsverhalten vor der Bundestagswahl und auch durch einen Angriff auf die Zivilgesellschaft in einen Graubereich manövriert, der an ihrer Ausrichtung zweifeln lässt. Das auch insbesondere unter dem Hintergrund der neuen Trump-Regierung, die ebenfalls die Zivilgesellschaft angreift und auch international für viel Verunsicherung sorgt. Kleine Anfrage, wie die der Union sind eigentlich typisch für rechtsextreme Parteien und hätte man in Art und Stil eher von der AfD erwartet.
s.a. taz: Wo war Friedrich Merz, als Walter Lübcke ermordet wurde?
Tausende gingen auf die Straße, als Lübcke getötet wurde. Merz warf Linken nun trotzdem Nichtstun vor. Eine taz-Recherche zeigt: Er unternahm wohl selber nichts.
Die neue Regierung soll eine Koalition aus CDU/CSU und SPD werden. Also genau die gescheiterte „Groko“ aus 2021. Seltsamer weise wird der Begriff nun vermieden. Dabei ist es nicht so lange her und es sind ja die gleichen Parteien. Damals gab es einen großen Stillstand in der Politik und daher auch eine Hoffnung, dass eine neue Koalition mehr bewegen könnte. Zum Teil ist das auch geglückt. Und das in Krisenzeiten.
Allerdings wurden fast alle geschlossenen Kompromisse zum Teil einen Tag später von der FDP als Opposition in der Regierung wieder zerredet und kritisiert. Am Ende blieb ein Eindruck einer heillos zerstrittenen Regierung, die dadurch massiv an Zuspruch und Vertrauen in der Bevölkerung verlor. Die Opposition förderte das natürlich auch. Und durch die Verengung auf das Migrationsthema und die Forderungen der AfD war das jetzige Ergebnis schon abzusehen.
Vielleicht kann an froh sein, dass derzeit eine Mehrheit jenseits der AfD noch möglich ist. Aber so, wie wir die Union beobachten konnten, wird ihre Lehre nicht sein, die Mitte zu suchen, sondern sich eher inhaltlich noch mehr der AfD anzunähern.
Es erscheint daher auch geboten, dass progressive und liberalere Kräfte eher die Abgrenzung zur Union suchen sollten. Für die Grünen ist eine Regierungspaquse wohl eher vom Vorteil, weil sie keine weiteren Kompromisse mehr schließen müssen.
Der Auftrieb der Linken wird vermutlich nicht nachhaltig sein, das sie vor allem in den letzten Wochen Stimmen von SPD und Grünen abziehen konnten. Aber es ist schon ein Sieg über das BSW gewesen, die auch mit ihrem Rechtspopulismus von Wagenknecht als Strategie nicht punkten konnten.
Die Krise der SPD hat sich weiter verschärft. Sie wirkt orientierungslos und wird als Wurmfortsatz der Union in Wiederholung der Groko kaum Sympathiepunkte bekommen.
Die Grünen müssen sich aber auch dringend reformieren. Vor allem was ihre Ansprache und Sprache angeht. Große Teile der Bevölkerung verstehen gar nicht, was sie sagen. Ein großes Plakat mit “Zuversicht” oder Begriff wie “Bündniskanzler” sprechen eher ältere und akademische Wählerschichten an.
Und so haben sich die Grünen 2025 modernen Wahlkampf vorgestellt. Haustürwahlkampf:
Dabei konnte man in de USA bereits sehen, dass das kein moderner Wahlkampf ist. Dazu dieser Artikel:
In den USA hatten die Demokraten die Republikaner verlacht, weil sie sie nicht auf der Straße oder an Haustüren sahen: “Diese dummen Republikaner” dachten sie, “wir werden die Wahl locker gewinnen, die haben ja KEINE AHNUNG, wie man gewinnt und niemand wählt Trump”.
Wie das Ganze ausging hat man dann im November 2024 gesehen. In Deutschland offenbar kein Grund, die eigene Strategie zu überdenken. Und wieder war das Ergebnis absehbar. Man kann sich da natürlich für entscheidend eine kleine Wohlfühlgruppe anzusprechen aus einer Schnittmenge unzufriedener CDU-Wähler:innen, Akademiker:innenkindern, überwiegend auch eher ein weißes Publikum, weniger Migrant:innen. Aber man muss sich dann nicht wundern, wenn viele Bevölkerungsgruppen nicht die Botschaften verstehen, selbst wenn sie mit den Zielen und Ergebnissen übereinstimmen würden. Aber das wäre ja umständlich diese sprachliche Vermittlung zu übernehmen. Da macht es mehr Spaß sich an Küchentische von Privilegierten zu setzen, die einem wohlgesonnen sind.
Was ist von der nächsten Regierung zu erwarten?
Für die Union gibt es nur zwei Alternativen 1) Koalition mit der SPD und 2) Koalition mit der AfD. Das wird vermutlich darauf hinauslaufen, dass sich Union und SPD weiter Richtung AfD zu bewegen. Denn die gibt den Takt vor und die letzten Monate haben fast alle Parteien versucht sie zu imitieren. Inhaltlich haben SPD und CDU/CSU natürlich nichts Neues zu bieten. Genau darum wurden sie ja 2021 abgewählt. Und eine Erneuerung hat da seitdem nicht stattgefunden.
Absehbar ist damit auch, dass sie die existierenden Probleme nicht angehen werden. Stattdessen werden sie vermutlich Erneuerbare Energie bekämpfen und alles darauf setzen wieder Atomkraft wieder einzusetzen. Auch wenn das nichts verbesser und zu mehr Problemen führen wird.
Man wird auch die Vorschläge der AfD 1:1 übernehmen und vielleicht auch Begriffe wie Remigration. Dadurch werden alle drei Parteien weiter verlieren und die AfD gewinnen. Für Grüne und Linke ist es eigentlich eine Chance eine Alternative darzustellen, wobei diese bisher keine Regierungsmehrheit bilden. Aber beide müssten weniger gegeneinander argumentieren, sondern den Diskurs drehen.
Dazu müssten sich die Grünen glaubhaft von vergangener Politik abwenden, was abseits der Regierung leichter sein könnte.
Ich bin da insgesamt eher pessimistisch was eine Regierungsbildung im Schatten der AfD bedeutet. Insbesondere, weil die Union derart fahrlässig und falsch agiert.