Ein Jahr Krieg Russlands gegen die Ukraine
Genau ein Jahr ist es her, dass ich meinen Geburtstag feierte zu Kriegsbeginn. Am Anfang war es noch gar nicht klar, was das bedeuten und mit sich bringen würde.Man konnte vermuten, dass es nur eine Drohgebärde wäre. Auch wenn zu dem Zeitpunkt schon Grenzen überschritten wurden, weigerte man such noch zu erkennen, was da passierte. Natürlich war das kein Geburtstag wie jeder andere (auch wenn man den Krieg zwischenzeitlich vergaß).
In der Schule in den 90ern lernten wir auch viel zum Zweiten Weltkrieg und auch die neue deutsche Ostpolitik unter Brandt. Und es gab auch einen Schulausflug nach Berlin und Ost-Berlin. Dann der Zusammenbruch der alten UDSSR und das Ende des Kalten Krieges. Die atomare Bedrohung wurde weniger. ‘Sozialismus mit menschlichem Antlitz’ schien möglich.
Die Friedensbewegung wandte sich gegen den NATO-Doppelbeschluss (Die Aufstellung von Mittelstreckenraketen in Richtung Sowjetunion). Und eben gegen die Logik des Wettrüstens. Aus der Friedensbewegung entstand nicht zuletzt auch die Anti-AKW-Bewegung und die GRÜNE Partei. Es gab Kriegsdienstverweigerung und Proteste gegen öffentliche Gelöbnisse.
In den vergangenen Jahrzehnten sahen wir u.a. den Jugoslawien-Konflikt mit einem NATO-Einsatz, der von der Bundesregierung unter grüner Beteiligung mitgetragen wurde und Einsätze in Somalia und nicht zuletzt den Angriffskrieg gegen Afghanistan (hiess es damals Spezialoperation?). Immer verbunden mit Protesten und harten Debatten in der Bevölkerung.
Und dann die Entwicklung nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und die NATO-Osterweiterung.
Man könnte jetzt alles in einen Topf rühren und pauschal sagen: “All das war eine Fehlentwicklung, eine weitere Militarisierung und alles unter den Vorzeichen einer wachsenden Dominanz Deutschlands als treibende Kraft in der EU und mit einer der größten Armeen der Welt.”
Und es spricht tatsächlich einiges für diese Lesart. Ich habe selber auch den Kriegsdienst verweigert und sah und sehe das Militär letztlich nicht in der Lage, Konflikte zu lösen.
Heute wende ich mich auch immer noch gegen das 100 Milliarden Paket für die Bundeswehr, weil ich den Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg überhaupt nicht sehe und die Bundeswehr schon immer ein Milliardenloch war in dem auch viel in Prestigeprojekte gesteckt wurde, wie neue Fregatten oder auch das Spielzeug ‘Gorch Fock’, bei dem hunderte Millionen in den Sand gesetzt wurden. Unser Staat versenkt ständig hunderte Millionen und Milliarden und behauptet gleichzeitig für vieles sei kein Geld da. Das stimmt definitiv nicht. Denke da zB an die Bankenrettung, wo das Geld plötzlich vom Himmel zu kommen schien.
Ich sehe Politik und Konflikte als ständige Machtspiele. Und ich denke, dass Die Umkehrung des Clausewitz-Zitats sehr wahr ist: ‘Politik ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln’ (Jomini / Foucault). Dazu auch der Begriff ‘Biopolitik’, bei dem es auch um Machtkämpfe geht und das Verwischen der Grenzen zwischen Politik und Krieg.Die Sowjetunion, genau so wie immer noch Russland ist eben auch Ergebnis von Eroberungskriegen der Vergangenheit. Gleiches gilt natürlich auch für alle anderen Staaten.
Den Unterschied, den ich sehe ist der, dass Russland in den letzten Jahrzehnten (und eben sogar nach dem Zusammenbruch der UDSSR mehr als in der Endphase) auch Krieg und Eroberung und brutale Unterdrückung der eigenen und fremden Bevölkerung setzt, um wieder zu einer Supermacht aufzusteigen. Und dabei werden fast sämtliche Menschen und Völkerrechte missachtet.
Eigentlich müsste der Vorwurf an den Westen und die NATO weniger sein, dass man Russland zu sehr bedroht hat, sondern im Gegenteil, dass vor allem Deutschland durch ihre Geschäfte mit Russland dieses Land erst in die Lage versetzt hat, neue Eroberungskriege zu finanzieren. Und war es Naivität oder schlicht Gier und Egoismus, dass man auf unsinnige Nord Stream Projekte gesetzt hatte, um hauptsächlich an die eigenen, nationalen Interessen zu denken. Dazu mal ganz interessant, wie sich damals Sahra Wagenknecht zu Nord Stream 2 geäußert hat.
Perspektive ist entscheidend
Und hier kommen wir auch an einen ganz entscheidenden Punkten rund um den Ukraine-Konflikt: Die Perspektive. Denn es ist der entscheidende Unterschied, in welcher Position man sich befindet. Es ist kein Zufall, dass im nicht vom krieg betroffenen Wohlstandsdeutschland andere Prioritäten gelten:
- Frieden um fast jeden Preis
- Endlich wieder Geschäfte machen mit Russland
- What Aboutism: Man verweis auf andere Konflikte, in denen nicht konsequent gehandelt wurde, wie zB Kurdistan, oder Afghanistan und Irak.
Die Aufgabe für Deutsche ist aber meines Erachtens, sich konkret in die Situation vor Ort zu versetzen und nicht nur abstrakt über die globalpolitische Situation zu schwadronieren und von Kriegspolitik zu faseln. Natürlich haben alle Staaten Machtinteressen! Natürlich war der Afghanistan-Krieg immer ein nicht-gerechtfertigter Angriffskrieg und der Abzug nur ein erbärmlicher Abschluss der Mission von Staaten wie der USA und Deutschland. Aber was hat das mit der unmittelbaren Situation in der Ukraine zu tun? Wollen wir Deutsche vorschlagen, dass sich die Ukraine erobern lassen soll.
Oder das Biden mit Putin über die Köpfe der Ukrainer*innen hinweg entscheiden soll. Nein, wenn dann muss das Russland und Ukraine miteinander aushandeln!
In den besetzten Gebieten gibt es, soviel ist jetzt schon klar, Folter, Vergewaltigungen und Ermordungen. Nach weltweit anerkannter Definition ist das ein Völkermord. Dafür braucht es keine KZs. Es geht hier um Vertreibung, Zerstörung von Kultur mit dem Ziel der Vernichtung der Ukraine, um das Land und die Ressourcen zu okkupieren. So sieht und sähe auch der Frieden aus, der von vielen propagiert aus. Eben bezogen auf die oben beschriebene Politik, die sich ja auch gegen Russ*innen in Russland und im Donbass und Luhansk wendet. Die Meinung unterdrückt. Es ist purer Faschismus. Es geht lange nicht mehr um einzelne Kriegsverbrechen und nur darum “irgendeinen Frieden” auszuhandeln oder mal einen Waffenstillstand. Es gibt hier handfeste Interessen. Und eigentlich für Russland bzw. vorher schon die Sowjetunion seit Jahrzehnten ähnliche Kriege, wie zB auch in Tschetschenien oder Georgien.
Deswegen geht es meine Erachtens eher darum, wie man zum Faschismus steht. Und es gibt eben sehr viele Parallelen zu Nazideutschland oder auch die zeit des Stalinismus. Die Vernichtung der Menschen ging in Zweiten Weltkrieg gerade dort besonders los, wo Frieden herrschte, ZB in Polen. Zu erwarten, dass Frieden alleine Menschenleben schont ist wahnsinnig und wird durch keine historischen Erfahrungen gedeckt.
Es ist dann nichts weiter als eine normalisierte Entrechtung. Wenn man das fordert, warum würde man dann in Deutschland überhaupt irgendwas fordern? Der deutsche Staat würde sich sicher auch darüber freuen, wenn es keine Kritik mehr gibt. Wäre die Ukraine komplett besetzt und wären die Kriegshandlungen beendet hätte Russland absolute Kontrolle über das Land und könnte noch mehr Leute umbringen als jetzt schon. Das ist die bittere Wahrheit!
Ergänzung 5.3.
Dieser Vortrag in voller Länge in Schweinfurt, eingeleitet durch den klimapolitischen Sprecher der Linken Bundestagsfraktion Klaus Ernst:
Was ich hier auffällig finde zur Beginn ihrer Rede:
- Zunächst berichtet sie von ihrer Kundgebung und ihrer Erkältung
- und geht dann fließend über in Kritik zur Kundgebung, Kritik vor allem an Medien und anderen Politikern.
Mit keinem Wort erwähnt sie Russland als Aggressor, oder was täglich in den besetzten Gebieten passiert. Und den Völkermord/Genozid, der nach offizieller Lesart nicht erst mit Vernichtungslagern anfängt, sondern eben aus der gezielten Vertreibung, insbesondere Vergewaltigungen, Kulturvernichtung (ukrainische Sprache verbieten) usw. basiert. Putin ist zwar nicht Hitler und Russland nicht Deutschland, aber Putins Russland ist ein faschistischer Aggressor. Und wer das gar nicht erst erwähnt, der will nicht die Wahrheit oder eine Diskussion über Ursachen oder wie man den krieg beenden kann. Wagenknecht spinnt Verschwörungstheorien, bei denen am Ende der Westen nicht EIN Player ist und auch nicht die Geschäftemacherei mit Russland und die Abhängigkeit von russischem Gas und Öl kritisiert wird. Es wird kritisiert, dass die Ukraine nicht im stich gelassen und ihrem Schicksal überlassen wurde. Dann könnten wir hier weiterhin billige Energie aus Russland beziehen. Ihr Punkt ist eigentlich, dass man weiter wie seit Jahrzehnten hätte wegschauen sollen. Auf andere Konflikte bezogen, hätte man Hitler damals einfach machen lassen und mit ihm Geschäfte machen sollen, oder man hätte Spanien unter Franko einfach im Stich lassen sollen. Was viele Demokrat:innen und Linke damals nicht taten. Auch wenn Stalin die Spanische Revolution von hinten hintertrieben hatte. Und an das erinnert mich Wagenknecht jetzt gerade. Und natürlich erinnert es auch an die Isolationist:innen in den USA oder Großbritannien vor dem Kriegseintritt im 1. und 2. Weltkrieg.
Und weil sie sagt, einige deutsche Panzer würden den Krieg eskalieren: Kann sein, aber es ist schon schräg, wenn man tausende russische Panzer nicht als Eskalation bezeichnet.
In meinen Augen sind das Pseudolinke, die auch vor Kooperationen und Duldung von Faschisten nicht zurückschrecken. Von mir aus kann man gerne darüber denken, welche alternativen Auswege es jetzt und in Zukunft gibt. Aber wenn da dann Leute unter dem Banner der LINKEN stehen mit einem Podium auf dem das Plakat “Tu was gegen Rechts!” steht und auf dem Podium wird argumentiert, dass man nichts gegen Rechts tun muss, weder gegen das faschistische Russland, noch gegen die zahllosen Rechten auf ihrer Demo, dann frag ich mich, wofür den “gegen Rechts” noch steht? Gegen den Faschismus ist wohl nicht gemeint. Vielleicht eher gegen die Konkurrenz der AfD?