Statement des Fahrrad Kino Kombinat und Kommentar

Autor:in

Thilo Pfennig

Veröffentlichungsdatum

6. Oktober 2023

Fahrradkino

Fahrradkino 2014, Lizenz: CC-0, Thilo Pfennig

Statement des Fahrrad Kino Kombinats

Wir haben ein Konzert abgesagt. Ein Konzert, das aus der Perspektive des Kollektivs nicht offiziell zugesagt war. Eine Einzelperson hat mit Tom F., Teil der Band Analogue Birds, die bereits in unseren Räumen gespielt haben, einen Konzerttermin vereinbart. Ohne Anfrage, ohne Raumbuchung, ohne Einigung über Gage oder Kosten auf dem offiziellen Weg, so wie es bei jedem anderen Konzert üblich ist. Was außerhalb der Kommunikation unseres Plenums stattfindet, liegt außerhalb unserer Wirkmacht.

Erst durch eine spätere E-Mail des Künstlers wurde der Rest des Kollektivs auf das geplante Konzert aufmerksam. Es wurde schnell klar, dass nicht genug Kapazitäten für das Betreuen des Konzerts vorhanden waren. Zudem äußerte ein Mitglied den Wunsch, bei den wenigen Kapazitäten, die momentan zur Verfügung stehen, ein diverses Line-Up veranstalten zu wollen, d.h. FLINTAs[1] und BIPoC[2]s mehr Bühne zu ermöglichen. Und ja, wir haben uns als Gruppe in den letzten Jahren auch mit der Thematik der Kulturellen Aneignung auseinandergesetzt und der für uns damit einhergehenden Verantwortung, die wir als Veranstaltende gegenüber unserem Publikum sehen und tragen wollen. Wir sind weder eine „Cultural-Sharia-Police”, noch die „Westentaschen-Taliban” (Zitat Tom F. Post #1) – Begriffe, die sich rechter Rhetorik bedienen. Niemand verbietet hier irgendwem irgendwas. Wir als Veranstaltende haben aber durchaus das Recht, Dinge zu veranstalten auf die wir Lust haben. Wir sind keine Expert*innen, vor allem weil wir nicht immer eine Betroffenenperspektive in die Entscheidungen miteinbeziehen können. Wir werden auch in Zukunft ein Konzert eher ablehnen als es zu veranstalten, wenn Zweifel bestehen – das ist kein Canceln.

Nochmal: Wir haben das Konzert abgesagt, weil es nie offiziell vom Plenum zugesagt wurde, weil wir aufgrund fehlender Kapazitäten nicht jedes Konzert veranstalten und weil wir selbst entscheiden, was wir mit unserer ehrenamtlichen Arbeit umsetzen wollen und was nicht. Fälschlicherweise wurde die Absage ausschließlich mit dem Argument der Kulturellen Aneignung begründet – das deckt sich nicht mit der Begründung des Kollektivs.

Eigentlich, so ist der Plenumsbeschluss, sollen alle Anfragen über die Mail des Vereins eingehen und dann im Plenum besprochen werden. Wir sind in den letzten Jahren geschrumpft, viele haben keine Kapazitäten mehr für die ehrenamtliche Arbeit. Momentan besteht das Kollektiv aus maximal 5 aktiven Personen, die versuchen den Laden am Laufen zu halten – neben Lohnarbeit und Leben. Es bleibt viel liegen, es kommt vor, dass Dinge abgesagt werden, es passieren interne und externe Kommunikationsfehler. Dass es in diesem Fall zu einer Kommunikationslücke gekommen ist und der Künstler lange Zeit davon ausgegangen ist, dass er im FKK spielen kann, tut uns leid. Wir entschuldigen uns klar bei Tom F. und seiner Band für die Nicht-Kommunikation unsererseits.

Wir bitten aber vor allem um Entschuldigung bei allen von Rassismus betroffenen Personen – BIPoCs. All die Kämpfe, die Kulturelle Aneignung als Reproduktion von Rassismus benennen, werden durch dieses Geschehen zurückgeworfen. Jeder sinnvolle Definitionsrahmen von Kultureller Aneignung wird in den Beiträgen und Kommentaren ignoriert. Personen nehmen sich öffentlich den Raum, all diese Kämpfe zu negieren und ihren verinnerlichten Rassismus unreflektiert als „weltoffene Haltung und kulturelle Vielfaltsgedanken” zu propagieren. Wir sind sauer und traurig, dass das möglich ist, und dass wir durch unsere Kommunikation dazu beigetragen haben. Die Inhalte sind erschreckend und bereiten Sorge, wenn antisemitische und rassistische Beschimpfungen, Nazi-Vergleiche und Nazi-Regime-Gleichstellungen genutzt werden oder gar die Shoah relativiert wird.

Wir bitten auch um Entschuldigung bei allen Kollektivmitgliedern – aktiv, wie passiv – die ebenfalls von Rassismus betroffen sind. Es tut uns leid, dass ihr durch diese Scheiße gehen müsst, die wir durch unser unbedachtes Vorgehen in dieser Situation herbeigeführt haben. Hier geht es nicht um einen Ruf, der zu verlieren ist, sondern um einen Ort, den wir über die letzten Jahre versucht haben, gemeinsam zu gestalten.

[1] Frauen, Lesben, Inter-, Nonbinäre, Trans und Agender Personen

[2] Black, Indigenous, People of Colour

von https://fahrradkinokombinat.de/

Kommentar KielKontrovers

Mich hat von Anfang an gewundert, mich welcher Verve da Medien und Wutbürger:innen da auf das Thema losgehen. Ich habe mir schon gedacht und auch über Ecken mitbekommen, dass es wohl nie einen Deal/eine Zusage gab. Aber das interessiert Klatschblätter wie die Kieler Nachrichten ja nicht. Die, die angeblich ECHTEN JOURNALISMUS machen, lassen jegliche journalististische Standards fahren, weil sie wollen JETZT berichten und auf Rechtsradikale wie Diter Nuhr aufspringen

Wo Rassist:innen keine Ausländer:innen brauchen, um rassistisch zu sein, so brauchen die Befürworter von Kultureller Aneignung auch keine Fakten. Hier wurde mal wieder der Untergang des Abendlandes herbeigeredet. Wenn nicht jede*r Idiot überall auftreten darf, in jeder Hautfarbe, mit jedem (auch antisemitischen oder rassitischen) Witz, dann ist dass Intoleranz und dann wird umgedreht denen, die Rücksicht nehmen oder andere Prioritäten setzen Begriffe an den Kopf geworfen wie „Ökonazis” oder „Rotlackierte Nazis”. Und das bei verschiedenen Themen. Wer tolerant ist, ist intolerant, weil er nicht alles akzeptiert. So zB die berüchtigte Österreicherin Lisa Eckhart, die dann bei Dieter Nuhr antisemitische Witze machen darf und der WDR gibt Rückendeckung, weil das dann angeblich Humor und Kabarett sein darf.

Ich fands teilweise auch schockierend, was ich in meinem Umfeld da an Emotionen und Hass gegen FKK gehört habe. Und das ganze total faktenbefreit.

Da wurde dann Phil Conyngham herangezogen, der nie ein- oder ausgeladen wurde und auch nichts weiß und eben zitiert mit:

Was jetzt in Kiel durch die Konzertabsage passiert sei, sei aus seiner Sicht „ein Fall von Extremismus”, sagt Conyngham, „und jede Art von Extremismus ist Shutdown-Culture

Die Zitate wiederum von Tom Fronza belegen offenbar, dass er durchaus tief verwurzelte rechtsradikale Ansichten hat. Also mir jemand zum ersten mal von dem Fall erzählte, sagte ich ich „ Ich weiß nicht, ob Didgeridoo-Spielen Kulturelle Aneignung ist, da muss ich drüber nachdenken und mich informieren”.

Aber die Medien geben lieber Öl ins Feuer, auch auf die Gefahr hin Rechtsradikale zu triggern, die dann Unschuldige zuspammen oder gar aktiv werden bis hin zur Gefährdung von Menschenleben. Was TÄGLICH in Deutschland passiert!

Das Feindbild “Woke Linke” führte dann Günther zu seinem ersten Wahlsieg mit dem Hashtag Schweinefleischverbot. Aber wo bleibt der Aufschrei gegen das Genderverbot der Landesregierung (Hamburger Abendblatt 2021) Studierende, die im Berufsleben gendern müssen, weil das die Gesetzeslage ist und sich auf den Grundrechten ableitet, dürfen das an der Uni nicht tun, weil das einem konservativen Weltbild nicht entspricht.

Was mich persönlich aber am meisten beschäftigt sind die oben schon zitierten Emotionen aus meinem Umfeld. Ich merke das auch oft, wenn man das Thema Rassismus anspricht. Die Reaktionen schwanken zwischen Ablehnung und Schweigen. So kann man jedes Gespräch killen. Ich führe das darauf zurück, dass viele (Weisse) Menschen unbewusst ein schlechtes Gewissen haben und alleine bei der Nennung bestimmter Begriffe schon in Verteidigungsstellung gehen oder eben wegducken, anstatt offen und sachlich darüber zu reden. Am ehesten verstehe ich noch, wenn man wenig sagt, weil man sich damit zu wenig beschäftigt hat. Allerdings erwarte ich das schon von Leuten, die einen gewissen Bildungshintergrund haben. Da kannst du dann aber auch das Thema Sexismus aufbringen, da sinds dann eher nur die Männer die das negieren und sagen, das ist alles Vergangenheit.

Allerdings gibt es natürlich auch das Phänomen, dass manche über das Ziel hinausschießen mit der Kritik. Und ich denke auch: Kritik üben ist auch noch mal was anderes, als wenn man um jeden Preis die eigene Meinung durchsetzen will. Letzteres muss man nicht machen. Und man kann ja auch für sich selbst zu einem Urteil kommen, diese Entscheidung aber nicht von allen anderen erwarten.

Also wenn das FKK sich für ein diverseres Lineup entscheidet, dann ist das doch als Kollektiv absolut nachvollziehbar. Sie müssen doch nicht Dieter Nuhr und Lisa Eckhart engagieren. Es ist ihre Bühne und ihr Publikum. Dass es jetzt Leute gibt, die das infrage stellen finde ich sehr bedenklich. Und das sind für mich auch die Gründe, warum die AfD Aufwind bekommt. Es sind weder woke Menschen noch die Rechtsradikalen, sondern Medien und Mitte, die jeder Rücksichtnahme eine Steilvorlage für Rechtsradikale machen.

Hat die KN zB jemals eine Bestätigung der Buchung des Musikers Fronza gesehen? Wohl kaum. Hauptsache Clickbait!

Wie siehts eigentlich aus mit der Diversität auf der Bühne beim WDR und Dieter Nuhr? Wer wird da alles gecancelt, ohne das wir es erfahren? Aber Rechtsradikale dürfen ja alles?

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