Ich habe eine Frage an alle offiziellen Oberbürgermeister:innen-Kandidat:innen gestellt. Drei haben mehr oder weniger darauf geantwortet:
Was ist die richtige Antwort auf die prekäre Haushaltslage, die zur Haushaltssperre geführt hat?
Ulf Daude
Hallo Herr Pfennig, hier meine Antwort:
Die aktuell verkündete Haushaltssperre zeigt deutlich: Kiel steht vor großen finanziellen Herausforderungen. Ein prognostiziertes Defizit von über 160 Millionen Euro - das sind Zahlen, die wir nicht schönreden können und auch nicht wollen. Die Stadt Kiel selbst kann kaum für die schwierige Finanzlage verantwortlich gemacht werden. Vielmehr zeigt sich nun einmal wieder sehr deutlich, dass unsere Stadt – wie alle Kommunen - durch Bundes- und Landesebene unterfinanziert ist. Ich werde mich dafür stark machen, dass Bund und Land nicht nur Aufgaben an die Stadt weitergeben, sondern dann auch die Mittel für die Finanzierung mitgeben.
Ein neuer Aufbruch für Kiel, Kiel wird zu unserem Tor nach Skandinavien, wir beleben unsere Stadt und aktivieren die Stadt-Gesellschaft nach skandinavischem Vorbild - Wie wird das gehen, wenn gerade eine Haushaltssperre verhängt werden musste? Meine Antwort ist klar: Eine Krise ist auch eine Chance, Prioritäten neu zu setzen und strukturelle Reformen anzugehen. Nicht trotz der Krise, sondern gerade wegen der Krise brauchen wir eine neue Strategie. Die Haushaltssperre ist ein Weckruf - aber sie ist nicht das Ende unserer Träume, sondern der Anfang für eine noch klügere Politik!
Als Schulleiter habe ich gelernt: In schwierigen Zeiten muss man Prioritäten setzen und gleichzeitig in die Zukunft investieren. Genau das werden wir in Kiel machen:
· Klug investieren: Jeder Euro, den wir in Bildung und Wirtschaftsförderung stecken, kommt mehrfach zurück · Partnerschaften nutzen: Mit Land, Bund und privaten Partnern werden wir neue Finanzierungsmodelle entwickeln · Strukturell denken: Nicht nur sparen, sondern die Einnahmen der Stadt langfristig stärken · Effizienz steigern: Die Digitalisierung der Verwaltung wird uns mittelfristig Millionen sparen
Ich werde als nächster Oberbürgermeister keine falschen Versprechungen machen. Die finanzielle Lage ist ernst und wir werden schwierige Entscheidungen treffen müssen. Aber ich verspreche: Wir werden diese Entscheidungen gemeinsam treffen, transparent kommunizieren und dabei die sozialdemokratischen Werte nie aus den Augen verlieren. Die sozialen Kernaufgaben der Stadt bleiben geschützt - das ist für mich nicht verhandelbar. Jugendhilfe, Bildung, Sozialhilfe – wir lassen niemanden hinten runterfallen. Hier wird es keine Abstriche geben. Aber wir werden überall da, wo es möglich ist, effizienter werden und neue Wege finden.
Was Kiel braucht, ist ein erfahrener Krisenmanager, der das politische Handwerk beherrscht, einen klaren Plan für die Zukunft unserer Stadt hat und anpackt. Einen, der in schwierigen Zeiten klare Entscheidungen trifft und die Menschen ehrlich über die Lage informiert. Ich bin bereit, diese Verantwortung als nächster Oberbürgermeister zu übernehmen! Meine beruflichen und politischen Erfahrungen möchte ich nun für ganz Kiel einsetzen. Gerade jetzt, wo die Stadt vor finanziellen Herausforderungen steht, braucht es jemanden, der schon bewiesen hat, dass er auch in schwierigen Situationen erfolgreich sein kann.
Viele Grüße
Ulf Daude
Aus Daudes Sicht ist die Stadt für das Defizit überhaupt nicht verantwortlich. Er möchte neue Prioritäten setzen. Aber konkret sehe ich keine Antwort darauf, wie man denn jetzt (auch kurzfristig) auf die Haushaltssperre reagiert. Ich meine am 16. November ist ja die Wahl. Das alles klingt eher nach: Wir werden uns bemühen, besser zu werden. Ich denke aber, dass er sagt ja selber, dass schwierige Entscheidungen getroffen werden müssen. Dann wird auch er zum Akteur. Er wirbt um Vertrauen und behauptet, dass er die nötigen Erfahrungen hat. Ich sage gar nicht, dass jeder Kandidat sofort die perfekten Antworten parat haben muss. Aber zB will man ja wissen, WELCHE Entscheidungen dann der oder die neue OB für Kiel fällen wird.
Gerrit Derkowski
Hallo Herr Pfennig,
Hier die Antwort von Gerrit Derkowski:
Aus meiner Sicht hilft es nicht weiter, darüber zu lamentieren, dass die Kommunen unterfinanziert sind. Das mag zwar richtig sein und die Kommunen dürfen auch nicht nachlassen, höhere Zuweisungen von Bund und Land einzufordern.
Wir müssen aber auch selbst etwas dafür tun, um die Einnahmen der Stadt Kiel zu verbessern. Und bei den Ausgaben stehe ich dafür, neue Prioritäten zu setzen.
Die Einnahmen können wir aus meiner Sicht nur mit einer starken Wirtschaft verbessern. Florierende Unternehmen schaffen Arbeitsplätze und zahlen Steuern. Auch vernünftig bezahlte Arbeitnehmer zahlen Steuern. Deshalb ist es wichtig, Arbeitsplätze zu schaffen und mehr auf die Bedürfnisse der Unternehmen einzugehen. Ich treffe mich derzeit fast täglich mit Kieler Unternehmerinnen und Unternehmern, um mich mit Ihnen auszutauschen.
Hier kommt dann auch schon eine wichtige Schnittstelle zu den Ausgaben: Kieler Unternehmen fordern den Ausbau der B404 zur A21 auch auf Stadtgebiet - ich bin ebenfalls dafür. Denn damit wird eine wichtige Verkehrsanbindung geschaffen, die zugleich die Finanzen der Stadt Kiel schont. Nur wenn es die Autobahn gibt, wird auch der Bund bezahlen. Eine Bundesstraße (wie etwa von den Grünen gefordert) würde die Stadt hunderte Millionen Euro kosten.
Hinzu kommt, dass in etwa zehn Jahren die Sanierung des Barkauer Kreuzes ansteht. Geschätzter Kostenpunkt hierfür: rund 100 Millionen Euro. Mein Ziel ist es, auch das Barkauer Kreuz an die Autobahn anzuschließen, damit diese Kosten nicht von der Stadt Kiel getragen werden müssen.
Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Priorisierung von Ausgaben ist der Verzicht auf die geplante Stadtbahn. Die erste Linie (noch nicht das ganze Netz!) soll nach heutiger Schätzung rund 564 Millionen Euro kosten bei einem Eigenanteil der Stadt Kiel von 272 Millionen. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusehen, dass es während des Baus Kostensteigerungen geben wird.
Das Geld wird uns an anderer Stelle fehlen und wir haben jetzt schon einen Sanierungsstau an den Kieler Schulen von geschätzt etwa 1 Milliarde Euro.
Ich bin dagegen, bei Sozialausgaben oder Daseinsvorsorge zu kürzen, denn damit würden wir die Schwachen der Gesellschaft treffen - der gesellschaftliche Zusammenhalt geriete dadurch in Gefahr.
Sehr geehrter Herr Pfennig, ich habe versucht, mich kurz zu fassen, trotzdem ist dies nun eine eher lange Antwort geworden. Andererseits kann man das Thema nicht mit einem oder zwei Sätzen abhandeln. Gerne beantworte ich Ihnen weitere Fragen dazu.
Mit freundlichen Grüßen
Gerrit Derkowski
Herr Derkowski grenz sich auf die Art von Daude ab, dass er nicht über Unterfinanzierung reden möchte. Er fordert den Ausbau der A21. Allerdings wird diese vermutlich über 100 Mio Euro kosten. Es ist dabei ja etwas sekundär ob nun vom Land oder vom Bund. Schulden gibt es auf jeder Ebene. Zudem zieht ein Ausbau von Straße auch durch die Mehrverkehre weitere Investitionen nach, da zB die B76 aber auch kommunale Straßen stärker belastet wird. Für Infrastruktur und Verkehrsflächen und damit auch vielfach Fahrbahnen den Löwenanteil bei rd. 21 Mio ausmachen.
Er kritisiert dagegen die Stadtbahn, die aber ja langfristig günstiger als Busverkehr ist und auch die Last der Straßenbaumaßnahmen reduziert bei gleichzeitiger Kapazitätserhöhung für den ÖPNV. Ein simples Streichen der Stadtbahn wird Kiel nichts sparen, sondern die Kosten langfristig erhöhen.
Man darf ja auch nicht vergessen, dass die Defizite in der Infrastruktur aus vergangenen Jahrzehnten angehäuft wurden, wo man Infrastruktur “kaputtgespart” hatte. Den Sanierungsstau an Schulen haben wir bereits in den 80er Jahren gehabt.
Er ist dagegen, bei den Sozialausgaben zu sparen. Es ist aber unklar, was er damit meint. Es gibt ja Pflichtausgbaben durch Bundesgesetze. Die kann ein OB eh nicht ändern. Auch hier bleibt für mich offen, wie er sparen will. Erst einmal möchte er mit dem Ausbau der A21 ja MEHR Geld ausgeben, hofft dann aber daraus, dass das irgendwie der Wirtschaft hilft. Vielfache Studien zeigen aber eher, dass Autoverkehr zur Lasten von Städten geht. Ind en 50er Jahren meinte man noch, Autostraßen seien die Lebensadern einer Stadt. Viele Städte, wie Paris oder Kopenhagen haben aber gezeigt, dass ein Rückbau auch wirtschaftlich nützt.
Björn Thoroe
Zitiert wurde Pressemitteilung von der Fraktion Die Linke / Die Partei zur Haushaltssperre:
„Die Haushaltssperre ist sozial ungerecht und wird die finanziellen Probleme der Stadt nicht lösen.“ Die Fraktion Die Linke / Die Partei spricht sich gegen eine Haushaltssperre aus. Der Fraktionsvorsitzende Björn Thoroe spricht von einer „sozial ungerechten Maßnahme. Sparen mit dem Rasenmäher ist die falsche Antwort auf die finanziellen Probleme der Stadt! Der Oberbürgermeister sollte sich lieber mit dem Land Schleswig-Holstein anlegen. Auch Klagen gegen das Land wegen der schlechten finanziellen Ausstattung der Stadt und Verstößen gegen das Konnexitätsprinzip, z.B. bei der Ganztagsbetreuung an Schulen müssen dringend vorangetrieben werden! Die Haushaltssperre nimmt der Selbstverwaltung ihr demokratisches Recht die Stadt zu gestalten. Ich halte die Maßnahme für einen undemokratischen Erpressungsversuch des Oberbürgermeisters und des Kämmerers, um Kürzungen über einen Nachtragshaushalt durchzusetzen.“ Der finanzpolitische Sprecher der Fraktion, Hans Wischmann, spricht von unnötigem Aktionismus: „Selbst wenn wir alle freiwilligen Ausgaben streichen, wird das die Stadt nicht aus ihrer finanziellen Misere herausholen. Das wird allein schon dadurch deutlich, dass die Haushaltssperre das Haushaltsergebnis um nur 15 Millionen Euro verbessern wird. Die Haushaltssperre wird mehr kaputt machen, als sie nützen wird. Stattdessen ist die sofortige und längst überfällige Einführung einer Übernachtungssteuer und der Verzicht auf Millionengräber nötig.“
Ratsmitglied Ove Schröter fordert endlich von unnötigen Großprojekten Abstand zu nehmen: „Olympiabewerbung und Meeresvisualisierungszentrum müssen nun endgültig gestrichen werden. Auch über den geplanten Ausbau des Holsteinstadions müssen wir ernsthaft nochmal reden. Das geht auch günstiger. Der Bau eines Parkhauses beim Stadion auf Kosten der Stadt muss sofort vom Tisch!“ Ratsmitglied Ayse Fehimli betont die Verpflichtung der Stadt gegenüber den Menschen in unserer Stadt: „Der Drogenkonsumraum und die Bekämpfung der Rattenplage in Gaarden dürfen nicht den Kürzungen zum Opfer fallen!“ Alle vier sprechen die Belastungen für die Mitarbeiterinnen der Stadt an: „Kiel hat nicht zu viele Angestellte in der Stadtverwaltung, sondern zu wenige. Wenn nun Stellen nicht besetzt werden, wird das die Lage für die Mitarbeiterinnen weiter verschärfen. Das ist unverantwortlich! Die Haushaltssperre muss wieder zurückgenommen werden!“
Da Thoroe diese Pressemitteilung zitiert, stimmt er wohl mit diesen Punkten überein. Im Kern kritisiert er die Haushaltssperre als unnötig, betont das Konnexitätsprinzip. Also die Verpflichtung von Land und Bund, Kiel als Kommune mit den Mitteln auszustatten, die sie benötigt, um die ihr übertragenen Pflichten zu erfüllen.
Konkret wird er nur damit, dass er eine Klage des Landes propagiert, falls es Probleme gibt. Und die Forderung Großprojekte zu streichen.
Ich bin da eher skeptisch, ob das reicht.
Fazit
164 Mio Euro sind auch nur rund 11 Prozent vom Gesamthaushalt von 1,4 Mrd. Ich denke man muss sich beim Kürzen auch überlegen, welche Wirkungen Kürzungen haben. Es gibt auch sensible Bereiche, wo Kürzungen dazu führen, dass bestimmte Bereiche ganz wegfallen. Und auch die Wirtschaft dahinter massive Aufträge verliert und damit auch Gewerbesteuer und damit die Einnahmen reduziert werden. Man kann nicht davon ausgehen, dass man beliebig kürzen kann und dann einfach mehr über bleibt.
Sehr fraglich sind tatsächlich die Olympiabewerbung, neue Stadtteile (auf Kosten alter Stadtteile) oder eben auch teure Stars für die Kieler Woche.
Aber es kann sich ja jede:r selber ein Bild von den Antworten machen.