Wie schon seit tausenden Jahr und auch in Gaarden plagen Ratten die Stadt. Man habe sehr viel versucht, sagt Kämpfer. Und nun, wo er nur noch wenige Monate im Amt sei, wolle er doch noch, zumindest in Gaarden, eine Verbesserung sehen. Darum wurde Christoph Adloff bemüht, um im stillen Kämmerlein ein Konzept zu erarbeiten, wie die Rattenplage in Gaarden ein für alle mal gelöst werden kann.
Ich schätze normalerweise nicht solche Pressetermine und gehe da auch nie hin. Aber ich erhalte sie von der Presseabteilung auch schon seit ein paar Jahren. Aber heute, in meinem Quartier, hat es mich doch mal interessiert, was gesagt wird.
Meine Erwartungen waren bereits vorher nicht sehr hoch: Welches Wundermittel sollte ein neues Konzept bringen? Insbesondere, da man zuvor nichts davon mit bekommen hatte, dass im Stadtteil intensiv nach Lösungen gesucht wird.
Und hier stehen viele private Mülltonnen rund ums Jahr draußen und es sammelt sich natürlich Müll drumherum. Teilweise direkt vor der Nase des KOD.
Ab Januar 2024 dürften Mülltonnen in Kiel eigentlich erst ab 18 Uhr am Vortag der Abholung rausgestellt werden. Ob Bußgelder verteilt wurden, ist mir nicht bekannt. Ich weiß nur, dass es da eine handvoll Häuser gibt, die eben 365 Tage im Jahr 24 Stunden ihre Tonnen draußen stehen lassen.
Unter anderem auch der Kiosk auf dem Vinetaplatz, wo ganzjährig große Tonnen auf dem eh schon zu engen Gehweg stehen (daneben parken meist die Abfallwirtschaftsbetriebe und der Kommunale Ordnungsdienst).
Zufußgehende und Schüler*innen weichen hier oft auf die Pflastersteinstraße aus, weil kein Platz ist. Forderung nach Verbesserungen verliefen im Sande. Die Stadt Kiel sieht an der Stelle keinen Handlungsbedarf.
Einige Pressestimmen:
14.8.25: Artikel SHZ “Aushungern, Gift, strenge Kontrollen: Stadt sagt den Ratten in Gaarden den Kampf an”
Christoph Adloff, der das Konzept erarbeitet hat und von Kämpfer scherzhaft zum „Rattenzar“ ernannt wurde, erklärt weitere Einzelheiten14.8.25: NDR (Text und Audio): “Rattenplage in Kiel: So will die Stadt das Müllproblem lösen”
Alle von Ratten befallenen Müllbehalter sollen zunächst vollständig geleert werden. Zerfressene Tonnen sollen ausgebessert oder ganz ausgetauscht werden. Auch der Bedarf an Müllbehältern soll in den Häusern laut Konzept entsprechend angepasst werden.15.8.25: Kieler Nachrichten : “Erst aushungern, dann vergiften: So kämpft die Stadt Kiel gegen die Ratten in Gaarden”
Zur Not werde die Stadt die Rattenbekämpfung übernehmen und das den Eigentümern in Rechnung stellen. „Das wird dann eine neue Form der Verbindlichkeit sein“, so Kämpfer.
Die 3 Säulen
Ratten aushungern (Defekte Tonnen austauschen, größere Tonnen)
Hauseigentümer*innen verpflichten, mehr Repression bei falscher Entsorgung und Nichtkümmern.
Neues Rattengift, ggf. unter Ersatzvornahme seitens der Stadt
Ein Konzept, eine Strategie? Die Aussichten?
In den Presseberichten geht es auch wieder wild durcheinander zwischen Konzept und Strategie. Ich denke wir haben hier keins von beiden. Was die Stadt gemacht hat, ist die Symptome zu untersuchen, also primär Müllmengen, Situation auf Hinterhöfen und Rattensichtungen.
Was offenbar nicht passiert ist:
Ursachen analysieren für die falsche Müllanlage. Es wird wohl davon ausgegangen, dass es an zu vollen Mülltonnen liegt.
Es wird nicht auf die zahlreichen Tauben. und Möwenfütterungen eingegangen, die täglich stattfinden. Die beschriebenen Maßnahmen wiederverwenden Material und Gedanken zum damals eher wirkungslosen PR-Maßnahme “Don’t Feed the Rats”. Die Frage ist, wenn man selber weiß, dass das damals nicht viel gebracht hat, warum stürzt man sich aktuell auch primär wieder auf die Kommunikation rund um Ratten
Offenbar wurden die Gaardener:innen nicht gefragt, warum sie und ihre Nachbarn Müll falsch abstellen und welche Maßnahmen helfen könnten. Schaut euch das zweite Foto an: Da werden vier frische Tonnen nach Gaarden auf die Haupteinkaufstraße gestellt und dahinter stehen fünf herausgeputzte Vertreter:innen. Die Presse wird zum Pressetermin gebeten, es gäbe ein neues Konzept, dass man vorstellen möchte. Kämpfer ist seit 2014 Oberbürgermeister in Kiel, aber 11 Jahre, wenige Monate vor dem Ende seiner Amtszeit, in der sich das Rattenproblem nur verschärft hat, will er plötzlich „eine Verbesserung sehen“?
Es gibt ja besonders problematische Eigentümer und Häuser. Und es hat auch mit Gastronomie zu tun, die teilweise Müll nicht richtig entsorgt. Die Stadt Kiel drückt da beide Augen zu und handelt selbst bei gezielten Informationen seit Jahren nicht. Eine Hypothek für den:die nächste:n Oberbürgermeister:in.
Ich sehe da also weder irgend etwas Neues, noch ein Konzept und auch keine Erfolgsaussichten. Unter anderem, weil man offenbar nichts von dem, was früher angekündigt war auch nur ansatzweise durchgezogen hat.
Seit Mai 2025 gilt übrigens außerdem eine verschärfte Biotonnen-Pflicht in Schleswig-Holstein. Der ABK schrieb mir dazu:
Bei Grundstücken, wo die Bioabfalltrennung nicht gut funktioniert beziehungsweise kaum vorgenommen wird, wird das Grundstück mit einem Mindestanschluss (mindestens 1 x 80 l Bioabfall mit 14 tgl. Leerung) an die Bioabfallsammlung angeschlossen. Der ABZ ist somit gegeben und die Anwohner*innen, die trennen, können ihre Bioabfälle auch richtig entsorgen.
Mir scheint, da geht es doch viel an der Wirklichkeit vorbei. Da werden Viertel wie Düsternbrook und Gaarden in einen Topf gepackt. Die Müllbeseitigung ist in Gaarden teurer, zum einen weil viele Gaardener:innen falsch trennen, aber man kennt hier auch die SUVs (zT. auch aus Nachbarkreisen), die ihren Sperrmüll oder Tütten in offene Hinterhöfe abladen. Weil alle wissen: In Gaarden ist Müll und da wird nicht so genau geschaut.
Gaardener Bevölkerung weiß mehr
ALLE wissen das hier im Stadtteil. Ob es Herr Kämpfer und Herr Adloff berücksichtigen und wissen, ist unbekannt. Wie schon gesagt, mit uns in Gaarden wird über unsere Probleme ja nicht gesprochen. Hier finden dann nur die Ortstermine statt, auf denen man uns dann darüber berichtet, was man für uns beschlossen hat. Auch der Ortsbeirat ist das nur Zaungast.
Das ist das perfekte Rezept für ein Scheitern von Ideen: An den Betroffenen vorbei entworfen und nicht im Dialog, sondern aus dem fernen Rathaus heraus. Es wird nicht funktionieren. Und was der Pressetermin versucht zu übertünchen ist: Nichts an all dem ist neu! Schon länger hat die Stadt ein Auge auf Häuser, in denen das Müllproblem überhand nimmt und schreitet auch dann ein, wenn es zu krass wird. Verbunden ist das ja oft mit schlecht verwalteten Häusern, wo nur Geld rausgezogen wird und sich nicht gekümmert wird. Ich selber wohne auch in einem Haus, in dem sich zu wenig gekümmert wird. Aber einige Bewohner:innen übernehmen dann die Aufgabe die Hausverwaltung mit Bitten und Hinweisen zu nerven. Oder mit dem Kürzen der Miete.
Meine Erfahrung in meine Haus ist auch, dass es sich immer gelohnt hat, am Ball zu bleiben. In einem Zeitraum waren ein mal drei Wohnung an Amazon-Wanderarbeiter vermietet, die alle drei Monate ausgetauscht wurden. Jede 2 1/2-Zimmer -Wohnung war mit 5 erwachsenen Männern belegt. Alles am Rande der Überbelegung, mit all den damit verbundenen Problemen. Und sobald man sich ein wenig kennenlernt hatte und sie alle ihre Möbel hatten (inklusive Verpackung in den Mülltonnen), waren sie schon verschwunden und der Rest ihrer Einrichtung verschwand auch im Hof und den Tonnen und der Einrichtungsmüll der nächsten Gruppe kam. Das war eine gewerbliche Vermietung an ein Subunternehmen.
Sie haben auch Pfandflaschen, Pfanddosen und die teuren Tüten für 2,50 € in dem Müll geworfen. Und daran habe ich auch gesehen: Es geht nicht (nur um Schwarz, Gelb, Blau, Braun), sondern eben auch um ein Verständnis vom Pfandsystem und auch darum, dass man versteht, wie hier das Anheuern von Arbeitern funktioniert. Das war also direkte Folge der Unternehmenspolitik von Amazon. Und der Verpackungsmüll hier war auch oft Amazon. Aber über Amazon redet niemand bei Müll.
Woher kommt der Müll?
Ich habe der Pressesprecherin Kiels ja auch mal bei einem Event gesagt, man sollte als Stadt erst mal lernen, wie der Müll entsteht und wer welchen Müll produziert. Ihre Antwort darauf war, dass man sich ja schon bemühe mehr Studierende nach Gaarden zu bekommen.
Mein Gefühl ist, die Stadt denkt sie weiß, wer die Schuldigen sind und will das politisch nicht thematisieren aus Angst vor der AfD. Ich denke aber die Wahrheit ist komplexer und wenn man gar nicht erst die Wahrheit herausfinden will, wird man das Müllproblem nie lösen!
Ich hatte beim Pressetermin auch ein kurzes Gespräch mit einer Passantin, die sich auch über den Müll auf der Straße beschwerte, woraufhin ich auch sagte, die Müllmenge insgesamt wäre auch einfach zu hoch. Sie sagte “Das wolle sie nicht hören und sie hätte das auch nicht gemeint”. Worauf hin ich “Ich weiß, aber es gehört ja auch zur Wahrheit, dass ohne die ständig steigende Müllmenge wir dieses Müllproblem nicht hätten”. Sie schüttelte da nur den Kopf.
Ich denke es ist auch einfacher zu sagen: Es ist GAARDEN, es sind nur bestimmte Menschengruppen - wir wollen nicht über die Müllmenge reden oder über Ursachen. Wir wollen das Symptom bekämpfen, dafür tritt Verwaltung und Politik an. Dafür sollen wir dann im November unsere Stimme den nächsten OB-Kandidaten:in geben. Die sollen uns eine Lösung versprechen, aber bitte keine Wahrheiten aussprechen oder Fragen stellen.
Einfach so wie gestern: Wir werden das Problem lösen und wir haben ein Konzept . Punkt. Und die Öffentlichkeit reagiert beeindruckt und meint wir müssen jetzt dem Konzept eine Chance geben. Auch wenn es da nicht mal etwas Gedrucktes gibt, wo wir etwas über die Quellen erfahren können und wie das Konzept erarbeitet wurde. Es geht nur darum eine mögliche Lösung zu behaupten. Die Opposition wird zweifeln, das ist ihre Aufgabe, aber wird sie auch die richtigen Fragen stellen? Wenns nach der SPD geht, sicher erst lieber nach der OB-Wahl.
Damit ich nicht missverstanden werde: Ich erwarte gar keine einfache Lösung. Aber es ärgert mich sehr, wenn Lösungen verkündet werden, die viele Faktoren und Erkenntnisse ausblenden und im Grunde so weitermache, wie bisher.
ZB auch: Wenn es viele Analphabeten gibt, reichen Flyer nicht. Wie wäre es mit Videos in verschiedenen Sprachen, die aber nicht einfach steif etwas erklären, sondern vielleicht wirklich mal das deutsche und Kieler Müll-ABC für jemanden erklären, der neu nach Kiel kommt. Kurze Videos, als FAQ der häufige Fehler. In den Flyern zumindest finde ich gar nicht die Probleme, die ich in unserer Mülltonne finde.
Und dann die Videos per QR verteilen oder auch in Beratungsstellen. Oder in Gaarden gibt es auch Studierende aus Indien an der Technischen Fakultät für ein Auslandssemester, die machen auch teilweise das, was sie sehen, weil sie denken das macht man so. ZB den Müll neben den Glascontainer stellen. Menschen in Gaarden sehen und wissen Dinge. Aller nur einen Teil der Wahrheit. Da kann man von oben gar nicht alles sehen. Erst die Vielzahl der Puzzelteile ergibt dann das Gesamtbild.
Noch aber fehlen wichtige Teil, um ein erfolgreiches Konzept erstellen zu können.
Weitere Informationen sowie die städtische Rattenverordnung sind unter www.kiel.de/ratten verfügbar. Fragen und Hinweise nimmt die Stadt gerne per E-Mail entgegen: Rattenangelegenheiten@kiel.de.