Am 4. September 2025 präsentierte OB-Kandidat Derkowski seine Ideen und die der CDU und FDP zu Alternativen zur Stadtbahn.
Hier seine PDF-Folien der Präsentation
Hier der Text dazu.
Ich konzentriere mich nun darauf, was der Kandidat an der Stadtbahn kritisiert, und welche konkreten Alternativen er in petto hat und wie diese im Vergleich zur Stadtbahn dastehen. Hier zunächst sein Text:
Die Kosten
Zu teuer, zu eng, zu spät: Was gegen die Stadtbahn spricht
Dabei handelt es sich um die Kosten für eine Linie von Wellingdorf bis zur Christian- Albrechts-Universität. Eigenanteil für die Stadt Kiel: 272 Millionen Euro. Das kann sich Kiel nicht leisten. Unter anderem sprechen ein hohes Haushalts-Defizit und ein milliardenschwerer Sanierungsstau an den Kieler Schulen dagegen. Noch deutlicher wird die Herausforderung, wenn man auf die Gesamtsumme der Stadtbahn schaut. 1 Milliarde Euro ist die Kostenschätzung der dänischen 2 Planungsgesellschaft Ramboll. Und wenn man jetzt die neuen Zahlen der ersten Inbetriebnahmestufe hochrechnet, dürfte die gesamte Stadtbahn über 1,5 Milliarden Euro kosten. Eine riesige Summe. Ob die Kosten tatsächlich bis zu 90 Prozent von Bund und Land übernommen werden, ist höchst fraglich, denn bei weiteren Kostensteigerungen wird das Nutzen-Kosten- Verhältnis unter 1 fallen. Dann ist die Stadtbahn nicht förderfähig. Wir bewegen uns schon jetzt nur knapp darüber: Mit einem NKV von 1,4. Das heißt: für jeden investierten Euro rechnen die Planer mit einem volkswirtschaftlichen Wert von 1 Euro 40
Die Wahrheit ist, dass die Kosten auf 948 Mio Euro beziffert werden. Herr Derkowski extrapoliert die geschätzten Kosten, die er zuvor schon um sechs Prozent aufgerundet hat.
Im März 2025 wurde eine Verteuerung des ersten Bauabschnitts verkündet. Ca. 200 Mio teurer. Allerdings hat die Stadt nach eigenen Angaben gegenüber der Kieler Nachrichten die Zahlen bewusst höher angesetzt. Und auch nciht mit Unterstützung für weitere städtebauliche Maßnahmen gerechnet. Diese Schätzungen kamen auch, bevor das 500 Milliarden Paket der Bundesregierung für Investitionen beschlossen wurde. Dazu sät Derkowski Zweifel daran, dass der Bund 90% der Kosten übernimmt.
Er rechnet alleine für den ersten Bauabschnitt mit einem Eigenanteil von 271 Mio Euro. Aber wenn wir bei der Gesamtsumme von 948 Mio von 10 Prozent ausgehen wären das ja lediglich 94,8 Mio Euro. Runden wir das der Einfachheit halber mal auf 100 Mio auf. Dann berechnet Derkowski dennoch für den ersten Abschnitt das 2,7fache als Eigenanteil für das, was bisher insgesamt geschätzt wird. Selbst bei einer Steigerung der Kosten aus 1,5 Milliarden sehe ich aber nur eine mögliche Erhöhung auf rund 150 Mio Euro.
Schauen wir uns nun die Kosten der einzelnen Elemente (laut Derkowski) und deren Eigenanteil an:
S-Bahn Kiel (altes Konzept, kommt sowieso) - angeblich 0 € (aber neue Strecke Suchsdorf-Wik bisher nicht geplant!)
Expressbuslinien: 30 Mio € (offenbar geht er hier aber nicht von Unterstützung von Bund und Land aus bei der Anschaffung?)
Mobility-Hubs: Keine Angaben?
Ausbau On-Demand-Angebote: Keine Angaben?
Ausbau Sharing-Angebote: Keine Angaben?
Ausbau Velorouten: Keine Angaben? KN sagt 30 Mio €
Ausbau Elektrofähren: Er will 2 weitere Fähren anschaffen für 2 weitere Verbindungen. Bisher gibt es 8 Passagierfähren für 2 Linien. Also 4 Fähren pro Linie. Zwei zusätzliche Linien brauchen dann ggf. auch 8 weitere Fähren. Er sagt 3,5 Mio für eine Passagierfähre. Dann wären wir also bei 28 Mio €
Der OB-Kandidat hat berechnet, dass seine Pläne 127 Millionen Euro kosten würden. Seine Rechnung: 30 Millionen Euro Anschaffungskosten für 30 bis 40 zusätzliche Expressbusse und jährliche Betriebskosten von 8 Millionen Euro.
(Kieler Nachrichten vom 6.9.25)
Wie er auf 27 Mio kommt, weiß ich nicht. Aber gehen wir mal davon aus, dass die drei anderen Punkte ohne Angaben auch um die 30 Mio Euro kosten. Dann komme ich auf rund 180 Mio €.
Im direkten Kostenvergleich wären dann Derkowskis Vorschläge doppelt so teuer für Kiel, wie die Stadtbahn.
Was bekommen wir?
Am Ende des Tages geht es ja um die Leistungsfähigkeit. Da lese ich bei Derkowski nichts darüber, wie viele Passagiere mehr transportiert werden könnten. Eine einzige Tram befördert das 3-fache eines Busses. Eine Stadtbahnstrecke, dass 4-5fache.
In Derkowskis Plan wissen wir aber nicht, wie viel mehr Passagiere transportiert werden, zudem mischt er auch ÖPNV mit Velo und Sharingangeboten.
Er schlägt 5 neue Expressbuslinien vor. Dabei umgeht die Linie X50 Gaarden-Ost. Micro-Hubs soll es nach ihm auch nicht in Gaarden-Ost geben. Das fällt auf. Generell bedeuten Expressbuslinien nicht unbedingt mehr Kapazität, sondern eine schnellere Verbindung. Dennoch erhöhen sie auch irgend wie Kapazität. Aber dann zB nicht auf der Linie 11 (ehemalige Straßenbahnlinie 4), die seit jeher am meisten Fahrgäste transportierte.
So aus dem Handgelenk würde ich seinem Plan dennoch mal zugestehen, dass sich die Gesamtkapazität um 1,5 erhöht. Bei der Stadtbahn würde ich konservativ das 3-fache sagen. Also doppelt so viel.
Irgendwie gehen bei ihm aber auch scheinbar Betriebskosten und Investitionskosten durcheinander?
Fazit
Variante Stadtbahn: Kosten für die Stadt bei ca. 100 Mio € für den reinen Streckenbau, ohne Stadtumgestaltung - Verdreifachung der Kapazität
Variante Derkowski: Wenn wir die Maßnahmen nur auf den ÖPNV reduzieren, dann sind es vielleicht auch nur 60 Millionen Euro an Investitionen in Schnellbusse und Fähren. - 1,5fache der Kapazität, aber ohne weitere Möglichkeiten der Erweiterung
100 Mio = 300% also 1:3
60 Mio = 150% also 1:2,5
Nach dieser überschlägigen Rechnung würde Kiel also vielleicht 40 Mio Euro sparen, aber die Umsetzung ist teurer erkauft. Kommen wir zum Eingangssatz seines Vortrags zurück „Zu teuer, zu eng, zu spät“
Dieser Satz passt also eher zu dem Konzept der konservativen Opposition: Viel Geld für kaum Leistungssteigerung, nicht mehr Barrierefreiheit und das im Jahr 2025, wo Kiel im Vergleich zu anderen Großstädten in Deutschland deutlich beim ÖPNV zurückfällt. Volle Busse, besonders problematisch mit Rollstühlen, Rollatoren und Kinderwägen. Damit erreicht man viele Bürger:innen nicht mehr. Und Studienabgänger:innen ziehen lieber in Städte, mit einem attraktiven ÖPNV-Angebot, dass die Notwendigkeit eines Autobesitzes verringert.
Es gibt viele unbekannte Variablen bei der CDU und FDP und ihrem Kandidaten. Da sie sich aber im Kern immer auf die Kosten gestürzt hatten, reicht es auch aus sich eben mit diesem Preis-Leistungsvergleich zu begnügen.
Es ist, um im Bilde von Autobesitzer:inne zu bleiben ja auch beim Autokauf die Frage: Was bekomme ich für mein Geld - und wie nachhaltig ist die Investition, wie hoch die Betriebskosten und wie lange hält das Auto?
In dem Fall argumentiert Derkowski dafür ein etwas günstigeres Auto zu kaufen, dass aber langfristig höhere Betriebskosten hat und das man bereits in wenigen Jahren durch ein neues ersetzen muss.
Eine Stadt sollte aber langfristig und strategisch denken. ZB auch daran, dass viele Busse mehr Busfahrer:innen brauchen und dadurch auch höhere Lohnkosten. Und das bei mehr Fahrzeugen auch mehr Schäden passieren, alleine schon, weil Bustechnik fehleranfälliger ist. Und das dann multipliziert.
Und wollen wir dann in 20 Jahren wieder und wieder neue Elektrobusse und Fähren anschaffen mit noch mehr Fahrer:innen? Das ist doch recht kurzfristig gedacht.
Ich denke Kiel kann sich diese Experimente nicht leisten, sonder sollte den eingeschlagenen Weg zu Ende gehen. Stattdessen sollte man schauen, ob es nicht immer wieder im Detail Verbesserungen gibt oder neue Ideen. Aber nicht erneut alles wieder auf den Kopf stellen und die gleichen Denkfehler wie damals bei der Abschaffung der Straßenbahn machen. Wir haben schon viel zu viel Zeit verloren, sparen wir uns weitere Warteschleifen für nicht zu Ende gedachte Alternativkonzepte!